Hinweise zur Benutzung
- Aufbau der Lexikoneinträge
- Typographische Konventionen
- Auswahl der Fachbegriffe und Begriffserklärungen
- Auswahl und Darstellung der Gebärden
- Anmerkungen zur Form
- Verweis auf formgleiche und formähnliche Gebärden
1. Aufbau der Lexikoneinträge
Der einzelne Lexikoneintrag hat folgenden Aufbau:

Hinter dem Fachbegriff wird die englische Übersetzung angegeben, darunter befinden sich Verweise auf die vorhandenen gebärdensprachlichen Varianten (s. Anm.) zu diesem Eintrag. Klicken Sie eines der Verweisbilder an, so springt die Anzeige auf den zu dieser Variante gehörenden Teil des Lexikoneintrags weiter unten.
Hierunter stehen ergänzende Angaben zum Lemma: geläufige Abkürzungen (ABK.), synonyme Bezeichnungen (AUCH) oder bei Begriffspaaren der dazugehörige Gegenbegriff (z.B. bei 'Efferenz': "AUCH: Gegenbegriff: Afferenz"). Unter dem Definitionstext werden die Oberbegriffe aufgelistet, denen der jeweilige Begriff zugeordnet werden kann. Die Fachgebiete, mit Ausnahme der Angewandten Psychologie, sind in insgesamt 37 Oberbegriffe unterteilt. Ein Oberbegriff wurde aufgenommen, wenn mindestens 4 Begriffe diesem zugeordnet werden konnten. Die Oberbegriffe wurden untereinander nicht weiter hierarchisiert, da dies nur in sehr wenigen Fällen möglich gewesen wäre. Sie stimmen auch nicht immer mit den Bezeichnungen der Fachbegriffe überein, z.B. sind unter dem Oberbegriff 'Lernen und Lerntheorien' alle Einträge zu diesem Gebiet zu finden (Lernen, Beobachtungslernen, Lernen, verteiltes usw.). Die Lemmata, denen innerhalb eines Fachgebietes kein spezifischer Oberbegriff zugewiesen werden konnte, finden sich unter einem Oberbegriff, der namensidentisch mit der Fachgebietsbezeichnung ist.
Für jede vorhandene gebärdensprachliche Variante wiederholt sich dann der folgende Block:
Die erste Zeile beginnt bei jeder Gebärde mit einem Symbol, das vier verschiedene Gestalten annehmen kann. Damit wird das Ergebnis unserer empirischen Untersuchung dokumentiert und zugleich eine grundlegende Unterscheidung zwischen belegten oder als bekannt geltenden Gebärden und neu entwickelten getroffen:
Wenn mindestens zwei unserer Gewährsleute, oder eine Gewährsperson und einer der drei gehörlosen Mitarbeiter unabhängig voneinander die gleiche Gebärde benutzen, gilt diese Form als belegt (insgesamt 407 von 1270 Gebärden).
Wenn mindestens eine unserer Gewährspersonen oder einer der Mitarbeiter regelmäßig für einen Begriff eine bestimmte Gebärde verwendet, gilt diese Form als bekannt (insgesamt 415 Gebärden; mitgezählt wurden auch 21 Gebärden, bei denen gefingert wurde).
Gebärden, die neu entwickelt wurden (insgesamt 343 Gebärden), werden mit diesem Symbol versehen.
Problematisch wurde die vorgenommene Unterscheidung in belegte und bekannte Formen bei kombinierten Fachbegriffen oder Komposita, wenn für die Übersetzung in DGS mehrere Gebärden für einen Bestandteil des lautsprachlichen Begriffes zur Verfügung standen. Ein typisches Beispiel ist Frustrations-Aggressions-Hypothese (Var. 1+2/2). Für jedes der in dem Wortkomplex enthaltenen drei Wörter gibt es zwei verschiedene Gebärden. Wir zeigen nur zwei der insgesamt acht möglichen Kombinationen. Diese ausgewählten Kombinationen enthalten jedoch alle sechs möglichen Einzelgebärden. Das vor kombinierten Gebärden stehende Symbol macht in diesem Fall deutlich, daß diese zusammengesetzte Form aus weiteren möglichen Kombinationen ausgewählt wurde. Das Symbol sagt weiterhin aus, daß diese zusammengesetzten Formen nicht empirisch belegt sind. Die in solchen kombinierten Gebärden vorkommenden Einzelformen sind jedoch entweder belegte oder bekannte Formen.
In wenigen Fällen sind die Kombinationsmöglichkeiten eingeschränkt (s. Selbstwertgefühl (Var. 1, 2 und 3/3), Geschlechterrolle (Var. 1+2/2), Leistungstests, Todestrieb (Var. 1+2/2)). In diesen Fällen findet man in den Anmerkungen zur Form einen Hinweis.
Rechts dieses Symbols finden Sie ein Bild, das die Anfangsstellung der Gebärde widerspiegelt. Beim Anklicken dieses Bildes wird der Film geladen, der die Ausführung der Gebärde dokumentiert. Ergänzt wird diese Angabe durch Bilder der Anfangshandform bzw. -formen bei Zweihandgebärden; bei letzteren bezieht sich die zuerst angegebene Handform auf die aktive oder dominante Hand (s. Auswahl und Darstellung der Gebärden), die zweitere auf die passive oder nichtdominante Hand. Bei zusammengesetzten Formen beziehen sich diese Angaben immer nur auf den ersten Teil dieser Gebärden. Ein Wechsel von einer Einhand- in eine Zweihandgebärde und umgekehrt innerhalb einer kombinierten Gebärde bleibt unberücksichtigt.
Unter dieser Zeile finden Sie die HamNoSys-Notation der Gebärde. Bei kombinierten Gebärden ist diese Notation mehrzeilig: Eine Zeile entspricht einer Teilgebärde.
Sofern vorhanden, folgen Anmerkungen zur Form. Bei Eigennamen oder Abkürzungen, die gefingert werden, werden hier auch die zu fingernden Buchstaben in der üblichen Schreibweise, in Großbuchstaben und mit Bindestrich getrennt, notiert.
Schließlich folgen Verweise auf formgleiche und formähnliche Gebärden.
Die Entscheidung, welche Variante zuerst und welche zuletzt aufgeführt wird, ist willkürlich. Darin liegt keinerlei Wertung etwa in dem Sinne, daß die erste Variante immer die beste Entsprechung für den jeweiligen lautsprachlichen Begriff sei.
Neben den Hypertextverbindungen im Definitionstext, in Oberbegriffen sowie den verschiedenen Angaben zu den Geäbrdenvarianten dienen auch die Registerzeile ganz oben auf der Seite und die Vor- und Rückwärtsblättermöglichkeiten ganz unten auf der Seite der Navigation im Lexikon:
- Durch Anklicken eines der Buchstaben in dieser Registerzeile erhalten Sie eine Liste aller Lemmata im Lexikon, die mit diesem Buchstaben beginnen. In diese Liste sind die unter "Auch:" im Definitionsteil angegebenen Wörter integriert und mit einem Verweis auf das eigentliche Lemma versehen. Durch Anklicken eines Lemmas in dieser Liste gelangen Sie auf die entsprechende Seite.
- Durch Anklicken des Wortes "Oberbegriffe" in der Registerzeile erhalten Sie eine Übersicht aller Oberbegriffe im Lexikon. Sie können dabei wählen, ob Sie die Oberbegriffe alphabetisch oder nach Fachgebieten sortiert haben möchten. Durch Anklicken eines Oberbegriffs erhalten Sie eine Liste aller diesem Oberbegriff zugeordneten Lemmata.
- Durch Anklicken des Wortes "English" schalten Sie auf den Index der englischen Übersetzungen der Lemmata um. Sie sehen zuerst immer den Index für die mit A beginnenden Übersetzungen. Verwenden Sie die anderen Buchstaben in der Registerzeile zum weiteren Navigieren.
- Über "?" können Sie im Lexikon enthaltene Gebärden anhand von Formmerkmalen (Händigkeit, Handform, Handstellung, Lokation, Bewegung) finden.
- Mithilfe der Symbole "<" und ">" schließlich können Sie das Lexikon rück- bzw. vorwärts in alphabetischer Reihenfolge der Lemmata durchblättern. Diese beiden Funktionen finden Sie noch einmal ganz unten auf der Seite.
2. Typographische Konventionen
In Anlehnung an J. Lyons (1980) werden folgende Unterscheidungen eingeführt:
- Wird im Text, wie z.B. in den Hinweisen zur Benutzung oder in den Anmerkungen zur Form auf die im Lexikon dargestellten Gebärdenformen Bezug genommen, so erscheinen diese kursiv.
- Glossen als Namen für gebärdensprachliche Formen (einzelne Vorkommnisse oder Exemplare) oder Formengruppen (Typen) sind durch GROSSBUCHSTABEN gekennzeichnet.
- Einfache Anführungszeichen ('...') stehen bei (lautsprachlichen) Ausdrücken und Lexemen, doppelte Anführungszeichen ("...") für deren Bedeutungen (z.B. 'Schloß' in der Bedeutung von "Türschloß") oder für bibliographische Angaben (Buchtitel, Aufsätze) und Zitate.
3. Auswahl der Fachbegriffe und Begriffserklärungen
Aus dem Fachgebiet Biopsychologie, das sich am stärksten mit den anderen Fachgebieten überschneidet, wurde ca. ein Drittel der Begriffe ausgewählt. Allgemeine Psychologie und Entwicklungs-/Pädagogische Psychologie nehmen zu fast gleichen Teilen ein weiteres Drittel ein. Kognitive Psychologie, das kein Grundlagenfach darstellt, wurde als neue interdisziplinäre Forschungsrichtung mit berücksichtigt. Klinische Psychologie ist mit ca. einem Sechstel der Einträge mit Rücksicht auf einen weiter gefaßten Benutzerkreis überrepräsentiert.
Abweichend von der sonst üblichen Schreibweise wurde bei folgenden Lemmata das Substantiv an den Anfang gestellt und vom Adjektiv durch ein Komma getrennt: 'Hilflosigkeit, gelernte', 'Lernen, inzidentelles', 'Lernen, latentes', 'Lernen, massiertes', 'Lernen, programmiertes', 'Lernen, serielles' und 'Lernen, verteiltes'. Eigennamen beginnen immer mit dem Nachnamen, außer bei 'Kaspar Hauser'.
Die Begriffserklärungen sind, soweit möglich, in einer verständlichen Sprache gehalten. Der häufige Gebrauch von Fremdwörtern sollte vermieden werden. Innerhalb der Texte wird möglichst umfassend auf weitere, im Lexikon vorhandene Fachbegriffe verwiesen (s. Anm.). Die Verweise haben eine doppelte Funktion: Sie verweisen auf weiterführende Erklärungstexte und gleichzeitig auf die für diese Begriffe vorhandenen Gebärden.
Bei der Formulierung der Definitionen wurden feminine Formen aus Gründen der Lesbarkeit nicht berücksichtigt. Jedoch wurden in den drei Einträgen 'Psychologe/Psychologin', 'Diplompsychologe/-psychologin' und 'Schulpsychologe/-psychologin' die feminine Form im Lemma mit aufgenommen.
4. Auswahl und Darstellung der Gebärden
In der Regel werden die Gebärden in ihrer Grund- oder Zitatform dargestellt, d.h. isoliert vom gebärdensprachlichen Kontext und in ihrer Grundbedeutung. Da es sich bei den Fachbegriffen größtenteils um nominale Ausdrücke handelt, ist der Anteil der flektierenden (Verb-)Gebärden, die den (Gebärden-)Raum ausnutzen, um Person, grammatische Rollen (Agens als Handlungsträger: Ich schlage ihn; Patiens als von einem Vorgang betroffene Person oder Gegenstand: Ich schlage ihn) oder positionalen Ursprung oder positionales Ziel anzuzeigen, äußerst gering. Zu diesen Gebärden werden unter "Hinweise zur Form" genauere Angaben gemacht (s. Anmerkungen zur Form).
Im folgenden wollen wir noch einige generelle Hinweise zu Mundbild, Einhand- und Zweihandgebärden, Händigkeit, Fingeralphabet und Mimik geben. Diese Aspekte bleiben bei den einzelnen Einträgen unkommentiert.
Mundbild
Die Ergebnisse der neueren Forschung zum Auftreten und zur Funktion deutscher Wörter in der DGS (Prillwitz 1988, Ebbinghaus/Heßmann 1989, 1990, 1995a, 1995b) belegen, daß Mundbilder ein natürlicher Bestandteil der DGS sind. Sie stehen in einer dynamischen und produktiven Beziehung zu den manuellen Gebärdenformen, mit denen sie sich wechselseitig kontextualisieren. Sie erleichtern somit die Interpretation gebärdensprachlicher Äußerungen im Rahmen des Ableseprozesses. Dies kommt besonders dann zum Tragen, wenn sich gebärdensprachliche Äußerungen auf lautsprachliche Fach- bzw. Fremdwörter beziehen. Durch das Mundbild wird dieser Bezug, gerade bei wenig geläufigen oder unbekannten manuellen Gebärden, sichergestellt. Umgekehrt erleichtert die manuelle Gebärde das schnelle Erfassen der Bedeutung auch bei unvollständig oder nicht korrekt artikulierten komplizierten Wörtern. Im "Fachgebärdenlexikon Psychologie" werden keine weiteren Angaben zum Mundbild gemacht, da sein Auftreten oder Nichtauftreten von den jeweiligen kontextuellen Bedingungen abhängt. Normalerweise ist bei allen gezeigten Gebärden das gleichzeitige Auftreten eines entsprechenden Mundbildes zu erwarten.
Händigkeit
Die dominante oder aktive Hand ist bei Rechtshändern die rechte, bei Linkshändern die linke Hand. Bei Zweihandgebärden wird entsprechend die andere Hand als nichtdominante oder passive Hand bezeichnet. Die Händigkeit ist jedoch unterschiedlich stark ausgeprägt, bei einigen Gehörlosen wechselt die dominante Hand stellenweise von der linken zur rechten Hand bzw. umgekehrt, ohne daß ihnen dies bewußt wird. Im "Fachgebärdenlexikon Psychologie" sind die Gebärden so dargestellt, wie sie von einer dominant rechtshändigen Person gebärdet werden=14=.
Einhandgebärden - Zweihandgebärden
Fast alle Zweihandgebärden können auch einhändig ausgeführt werden, z.B. kann bei nichtsymmetrischen Gebärden die nichtdominante Hand fehlen, ohne daß dies die Identifizierung der Gebärde erschweren würde (z.B. Bestrafung, Kultur, Kurzsichtigkeit).
Auch bei zweihändigen symmetrischen Gebärden genügt oft die einhändige Ausführung (z.B. Code, Generation (Var. 1+2/3), Entwicklung) (s. Anm.).
Bei einer weiterer Gruppe von Zweihandgebärden wird die flektierte Form einhändig ausgeführt. Die Zweihandgebärde Ähnlichkeit wird einhändig ausgeführt, wenn sie im verbalen Sinn benutzt wird, etwa um auszudrücken, daß zwei Personen sich ähnlich sind. Die V-Handform, mit der Handinnenfläche nach oben und den Fingerspitzen vom Körper weg zeigend, bewegt sich zwischen den beiden im Gebärdenraum positionierten oder real anwesenden Personen hin und her.
Bei Einhandgebärden kann die zweihändige Ausführung auch zur Betonung dienen (z.B. Angst, Furcht (Var. 2/2)).
Fingeralphabet
Eigennamen werden gefingert und als sog. initialisierte Formen dargestellt, d.h. daß nur der Anfangsbuchstabe gefingert wird, verbunden mit einer Kreis- oder geradlinigen Bewegung. Nur bei geläufigen Namen, die einem deutschen Wort entsprechen oder daran erinnern wie z.B. Freud (Sigmund) oder Jung (C.G.), sind auch die jeweiligen Gebärden FROH (s. Freud, Sigmund (Var. 3/3))oder JUNG (s. Jung, C.G. (Var. 2/2))geläufig.
Je nach Kontext genügt auch nur das Mundbild zur Identifizierung des Namens.
Mimik und Ausdruck
Die Mimik (Gesichtsausdruck, Kopf- und Körperhaltung) ist bedeutungsmodifizierend, besonders bei Gebärden, die Gefühle ausdrücken. Dies geht unmittelbar aus der Möglichkeit von Gebärdensprachen hervor, sprachliche Bedeutungen analog darzustellen, in diesem Fall den Intensitätsgrad der Empfindungen bzw. Gefühle. Ob und wie stark die Gebärden ausdrucksbetont sind, hängt vom jeweiligen Kontext ab (vgl. Schock (Var. 1+2/2)).
Einige Gebärden unterscheiden sich nur durch den Intensitätsgrad, der durch die Mimik und leichte Bewegungsveränderung ausgedrückt wird (vgl. Traum - Alptraum - Wahn (Var. 2/2) - Wahnsinn (Var. 2/2), Furcht (Var. 2/2) - Angst, Empathie (Var. 2/2) - Gefühl (Var. 3/4), Antrieb - Trieb (Var. 2/3)).
Bei Distanz (Var. 2/2) ist der Gesichtsausdruck im Zusammenhang mit der Handstellung bedeutungsmodifizierend. Im Unterschied zu Distanz (Var. 1/2) zeigt hier die Handinnenfläche der dominanten Hand nach vorne, die Bewegung drückt ein aktives Von-sich-weg-Schieben aus; bei Distanz (Var. 1/2), die Handinnfläche der dominanten Hand zeigt zum Körper, wird eher der räumliche Abstand, z.B. zwischen zwei Personen, beschrieben.
5. Anmerkungen zur Form
Durch die Tatsache, daß zwei Gewährspersonen aus Bayern stammen, konnten für sechs Gebärden (Alter, Schmerz, STÖRUNG (s. Entwicklungsstörung (Var. 2/2)), VERTRAUEN (s. Urvertrauen (Var. 2/2)), Reife, Trauer) bayrische Dialektvarianten bestimmt werden. Diese Formen kommen, bedingt durch zahlreiche Zusammensetzungen, in über 20 gezeigten Gebärden vor.
In einigen Fällen wurden noch Angaben zu alternativen Ausführungsarten gemacht, die für die Videoproduktion leider nicht mehr berücksichtigt werden konnten.
Die Mehrzahl der Einträge betrifft Gebärden, die zu den sog. flektierenden Verbgebärden zählen. In Anlehnung an T. Johnston (1989, 1993) wurden dafür die Bezeichnungen 'Richtungsgebärde', 'Orientierungsgebärde' und 'Positionsgebärde' verwendet.
Richtungsgebärde
Klassisches Beispiel für eine vollständig gerichtete Gebärde - eine genauere Unterteilung in vollständig gerichtete, end- und anfangsgerichtete Gebärden wird hier nicht vorgenommen - ist GEBEN: Anfangs- und Endposition sind umkehrbar und beliebig im Gebärdenraum positionierbar. Damit sind Ursprung und Ziel der Gebärde in einem natürlichsprachlichen Kontext festgelegt. Mit der Richtung dieser Gebärde werden gleichzeitig die grammatischen Rollen verbunden (Agens: Ich gebe ihm das Buch - Patiens: Er gibt mir das Buch). Die Gebärde wird normalerweise von einer entsprechenden Blickbewegung vom Anfangs- zum Endpunkt begleitet. Entsprechend verhält es sich z.B. bei Bestrafung.
Körperbezogene Richtungsgebärde
Diese Bezeichnung wurde in Anlehnung an T. Johnston neu eingeführt, da diese Gebärden weder eindeutig zu den Orientierungsgebärden noch zu den Positionsgebärden gezählt werden können. Beispiele sind die Gebärden PERSON (vgl. Individuum, marginale Persönlichkeit, Persönlichkeit, Persönlichkeitstests) und VERHALTEN (vgl. Charakter (Var. 2/2), Verhalten). In ihrer unmarkierten Form ("eigene Person") wird die Gebärde am Körper ausgeführt, in ihrer markierten Form ("andere Person") im Gebärdenraum positioniert.
Körperbezogene Positionsgebärde
Damit sind diejenigen Gebärden gemeint, die den Körperteil, an dem sie ausgeführt werden, in ihre Bedeutung mit aufnehmen können wie z.B. Blut: Wird die Gebärde in Kopfnähe ausgeführt, ist damit nicht irgendeine Blutung gemeint, sondern eine Blutung am Kopf. Über die Bedeutung ist die Ausführungsstelle der Gebärde gewissermaßen an den jeweiligen Körperteil fixiert. Weitere Beispiele sind: Drüsen, Puls, Zelle ("Hautzelle": Ausführungsstelle am Handrücken; "Nervenzelle": Ausführungsstelle an der Schläfe).
Orientierungsgebärde
Es gibt eine kleine Anzahl von Gebärden, die im Unterschied zu den Richtungsgebärden allein durch die Ausrichtung der Hand die jeweilige Orientierung oder die Richtung eines Vorgangs anzeigen. Ein Beispiel ist SCHAUEN: Durch die Orientierung der Handfläche bzw. der Hand wird sowohl der Ort als auch die Person bzw. der Gegenstand, den ich beobachte, gekennzeichnet. Welche Lesart am zutreffendsten ist, muß aus dem jeweiligen Kontext erschlossen werden (vgl. Beobachtung, Supervision).
6. Verweis auf formgleiche und formähnliche Gebärden
Die Glossentranskription aller 1270 gezeigten Gebärden ermöglicht es, Beziehungen zwischen Gebärdenformen bzw. Formengruppen herzustellen. Dabei ist stets auch die Bedeutung ausschlaggebend, denn neben dem Formaspekt berührt diese Art der Analyse Fragen der Homonymie (gleiche Formen mit verschiedenen Bedeutungen) und Polysemie (gleiche oder ähnliche Formen mit verwandten Bedeutungen) sowie der Etymologie von lexikalischen Gebärden.
Die vorgenommene Zuordnung zu formgleichen und formähnlichen Gebärden ist als vorläufig anzusehen und nach dem derzeitigen Stand der Forschung sehr problematisch. Sie soll gerade gebärdensprachkompetenten Personen ermöglichen, unabhängig vom Deutschen Gebärden zu finden, die bedeutungsverwandt sind. Einige wenige Gebärden mögen auf den ersten Blick als Homonyme erscheinen, z.B. Gefühl (Var. 2/4) - STOFF (in Abwehrstoff (Var. 1+2/2) oder Stoffwechsel), Gewohnheit - Reife (Var. 2/3). Bei genauerem Hinsehen jedoch lassen sich Bedeutungsverwandtschaften oder Ableitungen feststellen. Das Gefühl in den Fingerspitzen entsteht z.B. beim Reiben eines Stoffes, 'Gewohnheit' und 'Reife' meinen beide eine lange Zeitspanne. Gleichzeitig gibt diese Zuordnung zu verschiedenen Formengruppen einen tieferen Einblick in die Gebärdenbildung. Die 1270 Gebärdenformen lassen sich nämlich auf deutlich weniger lexikalische Grundformen reduzieren, die in verschiedenster Weise kombiniert und modifiziert werden. In diesem Sinn wurden die Verweise recht großzügig gehandhabt.
Formgleiche Gebärden stimmen in den Parametern Handform, Handstellung, Ausführungsstelle und Bewegung überein. Bei formähnlichen Gebärden ist einer dieser Parameter modifiziert, meistens die Bewegung (Bindung - Beziehung (Var. 2/2)) oder die Ausführungsstelle (Adoption - Wahrnehmung (Var. 1/2)). Manchmal kann es aber auch die Handform sein (z.B. Panik - Phobie, Depression (Var. 1/2) - Frustration (Var. 1/2)). Für die Zuordnung spielt wiederum der Bedeutungsaspekt eine Rolle, z.B. wurden die Gebärden Bakterien (Var. 1/2) und Beeinflussung nicht als formähnlich eingestuft, obwohl sie sich nur in der Bewegungsrichtung unterscheiden. Bei Bakterien (Var. 1/2) stellen jedoch die durch das Fingerspiel leicht auf und ab bewegten Finger viele kleine Lebewesen dar, die sich auf die gebärdende Person zu bewegen, bei Beeinflussung ist die Handform von der Gebärde FLIESSEN abgeleitet, oder aber sie stellt nicht sinnlich wahrnehmbare Strahlen oder Wellen dar, die auf eine Person einwirken.
Grundsätzlich wird von einer einfachen Gebärde auf einfache oder kombinierte Gebärden verwiesen und umgekehrt (s. Anm.). Bei zusammengesetzten Gebärden, bei denen jede Einzelgebärde auf eine formgleiche (oder formähnliche) Gebärde verweist, sind die aufgezählten Formen durch einen größeren Zeilenabstand getrennt, z.B. bei Frustrations-Aggressions-Hypothese (Var. 1/2) verweist der erste Teil der Gebärde auf Frustration (Var. 1/2), der zweite Teil auf Aggression (Var. 1/2) und der dritte Teil auf Hypothese (Var. 1/2).
Bei einigen kombinierten Gebärden sind Formen enthalten, die wiederum in anderen kombinierten Gebärden verwendet werden (z.B. die Gebärde TABLETTE, die in elf verschiedenen kombinierten Gebärden enthalten ist (vgl. Antidepressiva, Psychopharmaka usw.). Da aber keine einfache Gebärde im Lexikon vorhanden ist, die als Grundform dienen könnte, entfallen sämtliche Querverweise.
Unter einer Grundform (z.B. Aktivierung) wird auf sämtliche formgleiche und formähnliche Gebärden im Lexikon verwiesen. Bei den jeweiligen Verweisgebärden wird lediglich auf diese Grundform rückverwiesen.
Unter formgleiche Gebärden werden auch solche gefaßt, die sich lediglich durch eine Umkehrung der Bewegung unterscheiden, um eine gegensätzliche Bedeutung auszudrücken. In diesen Fällen steht das Wort 'Umkehrung' davor, z.B. bei Bindung (Var. 2/2).
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