Nach dem 30-jährigen Krieg setzte sich unter dem Einfluss der protestantischen Ethik überall eine andere Sichtweise durch. Arbeit wurde als Pflicht jedes Menschen angesehen; wer als arbeitsfähig eingeschätzt war und nicht arbeitete, wurde bestraft. Die zentrale Institution dieser Epoche auf dem Gebiet der Armenpflege war das Zuchthaus, auch Armenhaus, Werkhaus oder Korrektionsanstalt genannt (Armut). Es sollte die zunehmende Bettelplage eindämmen, die Insassen zur Arbeit bringen, sie sittlich bessern und dabei Profite erwirtschaften.
Mit der Einführung der kapitalistischen Wirtschaftsform seit Beginn des 19. Jahrhunderts kam es zur Verelendung breiter Bevölkerungsschichten. Es entstand die "Soziale Frage" nach der Lösung des Massenelends. Hierzu ergaben sich verschiedene Antworten: Der Staat entwickelte die Sozialversicherung, die Kirchen die Innere Mission und den Caritas-Verband, das Bürgertum die Rettungsvereine und die Sozialisten die Gewerkschaften und Unterstützungskassen. Typische Institutionen dieser Epoche auf dem Gebiet der Sozialen Arbeit waren die Anstalt und das städtische Armenpflegesystem.
Nach dem 1. Weltkrieg antwortete der Staat unter dem Eindruck weit verbreiteter Notstände mit staatlichen Interventionen (Reichsjugendwohlfahrtsgesetz, Jugendgerichtsgesetz, Reichsfürsorgepflichtverordnung). Die Reformpädagogik entwickelte neue Ziele und Methoden. An die Stelle der Anstalt trat das Heim als charakteristische Institution (Heimerziehung).
In den Jahren von 1933 bis 1945 orientierte sich die staatliche Fürsorge zunehmend an der Rassenideologie der Nationalsozialisten (Eugenik) und an der Vorstellung vom zentralistischen Einheitsstaat. Vereinheitlichte Organisationen leisteten nach ihrem Verständnis Hilfe nur für Volksgenossen. Das Lager entwickelte sich als neue Institution.
Nach 1945 knüpfte man an die Verhältnisse von vor 1933 an. Es gab erneut zahlreiche Träger der Sozialen Arbeit. Nachdem die dringendsten Probleme der Nachkriegsjahre bewältigt waren, wurde die Sozialhilfe gesetzlich neu gefasst, das Jugendwohlfahrtsgesetz novelliert und das Prinzip der Subsidiarität eingeführt. Die Ausbildung des Fachpersonals für die Soziale Arbeit wurde über die Einrichtung von höheren Fachschulen und durch die Einbeziehung in die neu gegründeten Fachhochschulen reformiert (Professionalisierung). Im Jahr 1990 ist die Jugendhilfe mit dem Kinder- und Jugendhilfegesetz (KJHG) nach fachlichen Prinzipien völlig neu gestaltet worden und im Jahr 1994 wurde die Pflegeversicherung eingeführt. Zunehmend verwirklichte man den Vorrang ambulanter vor stationären Hilfen. Viele Heime wurden durch Wohngruppen ersetzt oder intern pädagogisch neu gestaltet. Der fachliche Anspruch der Träger der Sozialen Arbeit wurde zunehmend durch Selbsthilfeinitiativen überprüft.
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