Abweichendes Verhalten liegt vor, wenn eine Verhaltensnorm, die in einer menschlichen Gruppierung gültig ist, nicht befolgt wird. Um ein konkretes Verhalten als abweichend bezeichnen zu können, muss Kenntnis über das normgerechte Verhalten vorliegen (Normalität). Abweichendes und normales Verhalten sind aufeinander bezogen und bedingen sich wechselseitig. Veränderungen in einem Bereich verursachen auch Wandel auf der anderen Ebene. Weil soziale Verhaltensnormen sich kontinuierlich verändern, wandeln sich auch die Auffassungen über normales und abweichendes Verhalten. Außerdem sind die meisten Verhaltensnormen nicht in allen Teilen einer Gesellschaft in gleicher Weise gültig (Schicht). Abweichendes Verhalten ist deshalb abhängig von Zeit und Raum sowie von den konkreten sozialen Gruppierungen und kulturellen Zusammenhängen, in denen Menschen leben. Was hier als normales Verhalten gilt, kann dort als abweichendes eingestuft werden (Jugend). Alle Menschen verhalten sich im Laufe ihres Lebens in irgendeiner Weise abweichend gegenüber Verhaltensnormen. Deshalb wird abweichendes Verhalten bis zu einem gewissen Grad toleriert und dadurch zur Grundlage für den sozialen Wandel. In einer stabilen Gesellschaft gibt es jedoch einen Kernbestand an Verhaltenserwartungen, die beachtet werden müssen und deren Missachtung zu beträchtlichen negativen Konsequenzen führen kann (Kriminalität, Prostitution, Sucht). Wissenschaftliche Studien zu abweichendem Verhalten haben sich auf die Erforschung der Ursachen beim Individuum konzentriert und deshalb lange Zeit das abweichende Verhalten aus psychischen, physischen und sozialen Merkmalen des Einzelnen erklärt. Später wurde der Unterschied zwischen anerkannten gesellschaftlichen Zielen und den fehlenden Mitteln, diese Ziele zu erreichen (Diskrepanz), als Erklärung für abweichendes Verhalten herangezogen. Neuere Ansätze betrachten die gesellschaftliche Reaktion auf abweichendes Verhalten (Stigmatisierung) selbst als verursachend für die Entwicklung von abweichendem Verhalten (empirische Sozialforschung). Vor diesem Hintergrund haben Sozialarbeiter und Sozialpädagogen die früher häufig unkritisch eingenommene Position der sozialen Kontrolle gegenüber Personen mit abweichendem Verhalten überwunden. Es geht ihnen heute darum, in ihrer beruflichen Tätigkeit einen fachlich begründeten Beitrag (Professionalisierung) zum sozialen Wandel in einer Gesellschaft zu leisten (Bewährungshilfe, Strafvollzug). Zum Beispiel haben Sozialarbeiter und Sozialpädagogen dazu beigetragen, dass heute in der Bevölkerung ein größeres Verständnis für das auffällige Verhalten von psychisch Kranken besteht. |
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