Zu diesem, die wissenschaftliche Arbeit prägenden Vorverständnis gehören Überzeugungen und Erwartungen ebenso wie spezielle Kenntnisse und Methoden. Dabei geht es um einen breiten Konsens aller oder wenigstens der großen Mehrheit der Wissenschaftler dieser Fachrichtung.
Verschiedene Perspektiven oder unterschiedliche Herangehensweisen sind innerhalb eines Paradigmas möglich. Erst wenn wichtige wissenschaftliche Fragestellungen mit dem vorherrschenden Paradigma nicht mehr beantwortet werden können, kommt es zu einer grundlegenden Veränderung, es erfolgt ein Paradigmenwechsel.
So ist man zum Beispiel lange Zeit von dem Paradigma ausgegangen, dass Fragen der Behinderung (behindert) im Hinblick auf den Verlust, die Einschränkung und das Defizit des Betroffenen zu behandeln sind. Nach einem Paradigmenwechsel steht heute die Frage nach den Kompetenzen eines behinderten Menschen im Mittelpunkt der Überlegungen. Einen Paradigmenwechsel hat es auch bei den Auffassungen über die richtige professionelle Unterstützung von Behinderten gegeben. Noch um 1970 war man allgemein der Ansicht, dass die Meinung von Fachleuten entscheidend sei für die Auswahl der Hilfen; heute steht die Selbsthilfe, die Selbstorganisation und damit die Emanzipation behinderter Menschen von den Experten im Zentrum der Überlegungen und Entscheidungen (persönliches Budget).
Für Sozialarbeiter und Sozialpädagogen ist es in ihrer praktischen Arbeit hilfreich, sich das Paradigma zu vergegenwärtigen, das hinter den Beiträgen einzelner Wissenschaften steht, um auf diese Weise das Bewusstsein von der Relativität wissenschaftlicher Aussagen zu erhalten.
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