In einem erweiterten Sinn bezeichnet Hospitalismus auch Störungen, die auf frustrierende Erfahrungen während der ersten Lebensjahre zurückzuführen sind, das heißt auf eine mangelhafte frühkindliche Erziehung und die damit verbundenen langandauernden Versagenserlebnisse hinsichtlich wesentlicher kindlicher Grundbedürfnisse (frühkindliche Entwicklung). Derart vernachlässigte Kinder zeigen häufig Verhaltensauffälligkeiten (abweichendes Verhalten), durch welche die Sozialisation stark beeinträchtigt wird. Unter anderem handelt es sich um auffällig infantiles Verhalten (dazu gehören auch Daumenlutschen und Bettnässen), deutlich übersteigerte Bedürfnisse nach Beachtung und Kontakt beziehungsweise Besitzanspruch gegenüber anderen Menschen sowie erhebliche Probleme bei der Einordnung in soziale Gruppen.
Wesentliche Ursachen sind eine fehlende, ungenügende oder gestörte Beziehung zwischen Mutter und Kind und das Fehlen ausreichender und kontinuierlicher Zuwendung. Dieses kann Folge von zerrütteten Familienverhältnissen sein, aber auch durch Überlastung oder Alkoholismus (Alkoholabhängigkeit) der Mutter oder deren Ablehnung des Kindes entstehen.
Aufgabe der Sozialen Arbeit ist es hier, die Familie, insbesondere die Mutter, zu unterstützen und zu entlasten, damit sie mit ihren Erziehungsaufgaben besser zurechtkommt. Dazu bietet das Kinder- und Jugendhilfegesetz (KJHG) im Rahmen der Erziehungshilfen Unterstützung etwa durch die Sozialpädagogische Familienhilfe an.
Von Hospitalismus spricht man im übrigen auch, wenn es um die Folgeschäden im psychischen, physischen und sozialen Bereich geht, die durch langjährige Anstaltsaufenthalte, insbesondere in psychiatrischen Kliniken und Pflegeheimen, entstanden sind. Zur Vermeidung und Heilung dieser Schäden wurden seit etwa 1970 im westlichen Teil Deutschlands neue Wohnformen für Menschen mit geistiger oder psychischer Behinderung (behindert) geschaffen. In Ostdeutschland hat dieser Prozess, der Enthospitalisierung genannt wird, 1990 begonnen.
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