Susanne König, Reiner Konrad, Gabriele Langer
Wir haben uns, wie schon beim Fachgebärdenlexikon Tischler/Schreiner und beim Fachgebärdenlexikon Hauswirtschaft, auch beim Fachgebärdenlexikon Sozialarbeit/Sozialpädagogik, im Folgenden kurz SoLex genannt, dazu entschlossen, die Methoden unserer Arbeit transparent und die Ergebnisse unserer sprachwissenschaftlichen Analyse allen interessierten Benutzern zugänglich zu machen.
Um das Lexikon praktisch benutzen zu können, ist es nicht notwendig, sich mit den hier dargestellten Hintergrundinformationen zu beschäftigen. Sie helfen jedoch, vor allem die den Gebärdeneinträgen zugrunde liegenden Zusammenhänge besser zu verstehen.
Soziale Arbeit hat es in Theorie und Praxis sowohl mit Begriffen aus verschiedenen Wissenschaften, wie zum Beispiel der Medizin, der Psychologie, der Soziologie oder der Pädagogik, und mit Bezeichnungen aus der Alltagssprache, wie zum Beispiel Familie, Hilfe, sozial, Kinder oder Jugendliche, zu tun. Im Rahmen eines wissenschaftlich orientierten Studiums erhalten die Bezeichnungen aus der Alltagssprache eine exaktere Bedeutung, sie werden fachspezifisch definierte Begriffe.
Das Studium der Sozialarbeit/Sozialpädagogik besteht aus einer kritischen Aneignung von Erkenntnissen der Human- und Sozialwissenschaften, der Rechtswissenschaft und der Verwaltungs- und Organisationslehre. Aus der Fülle der wissenschaftlichen Fachbegriffe dieser Disziplinen wurde eine Auswahl getroffen, die für die Tätigkeit von Sozialarbeitern und Sozialpädagogen als unverzichtbar angesehen wird.
Bei der Auswahl der hier behandelten Begriffe konnte auch auf Vorarbeiten zurückgegriffen werden, die im Rahmen des Potsdamer Modellstudienganges zur Ausbildung von Gehörlosen zu Diplom-Sozialarbeitern/-Sozialpädagogen an der Fachhochschule Potsdam (PotsMods) entstanden sind.
Da ein Fachgebärdenlexikon Psychologie bereits vorliegt, wurden psychologische Begriffe nur dann aufgenommen, wenn sie in der Praxis der Sozialen Arbeit eine anders akzentuierte oder zusätzliche Bedeutung haben. Ebenfalls weniger zahlreich sind Begriffe aus der Erziehungswissenschaft. Der Grund hierfür liegt zum einen in der durch die Projektdauer notwendigen Beschränkung des Umfangs dieses Lexikons, zum anderen sollte einem Fachgebärdenlexikon Erziehungswissenschaft nicht vorgegriffen werden. Dies gilt ebenso für den Bereich Medizin.
Die Auswahl der Begriffe im Bereich der Methoden der Sozialarbeit/Sozialpädagogik orientierte sich an den derzeitigen Standardwerken von Galuske (1998) und Müller (1997). Der große Anteil juristischer Begriffe war notwendig, weil Sozialarbeiter und Sozialpädagogen in der Praxis meist im Kontext von Rechtsvorschriften tätig werden. Da bisher kein Fachgebärdenlexikon Recht vorliegt, war es auch erforderlich, allgemeine Rechts- und Verwaltungsbegriffe aufzunehmen und zu erläutern. Grundlage für diese Erläuterungen war im Wesentlichen das Rechtswörterbuch von Weber (2000).
Die Erklärungstexte sind so konkret und verständlich wie möglich formuliert. Zusätzlich zu den für die Soziale Arbeit relevanten Bedeutungsaspekten eines Fachbegriffs wurden in der Regel Hinweise auf den Verwendungskontext, das Arbeitsfeld und/oder die Zielgruppe der Sozialen Arbeit gegeben. Soweit die entsprechenden Gesetzestexte schon vorlagen, wurden die besonders im Sozialgesetzbuch IX und XI vorgenommenen Änderungen berücksichtigt.1Die inhaltliche Überarbeitung der Begriffserklärungen wurde im Oktober 2002 abgeschlossen.
Für ein darüber hinausgehendes, differenzierteres Verständnis ist es unerlässlich, die Standard-Nachschlagewerke der Sozialen Arbeit mit ihren umfangreichen Artikeln zu den hier behandelten Fachbegriffen zu studieren. Dies gilt insbesondere für das Wörterbuch Soziale Arbeit (Kreft/Mielenz 2002) und das Fachlexikon der sozialen Arbeit (Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge 1997). Diese enthalten auch Hinweise zu weiterführender Literatur.
Die 450 Fachbegriffe wurden in zwölf Sachgruppen aufgeteilt, die Sachgruppen Recht und Zielgruppen Sozialer Arbeit in weitere Untergruppen.2Die anderen zehn Sachgruppen sind: Allgemeines, Arbeitsfelder/Träger der Sozialen Arbeit, Erziehungswissenschaft/Bildung, Finanzierung, Gesundheit, Methoden der Sozialarbeit/Sozialpädagogik, Politik/Soziologie, Professionalisierung, Psychologie, Verwaltung. 318 Fachbegriffe wurden mehreren Sachgruppen zugeordnet, 19 ließen sich nicht eindeutig zuordnen und wurden unter Allgemeines zusammengefasst, 243 Fachbegriffe wurden zusätzlich einer Untergruppe zugeordnet. Mit dieser Aufteilung wird jedoch keine inhaltliche Aussage über die Bedeutung der jeweiligen Sachgruppe für das Studium oder die Praxis der Sozialen Arbeit gemacht.
Die im SoLex gezeigten Übersetzungen der Fachbegriffe in die DGS wurden aus einem Korpus empirisch erhobener Sprachdaten ausgewählt. Wir konnten 15 gehörlose Informanten aus verschiedenen Bundesländern für die Gebärdenerhebung gewinnen. Sie hatten zum Zeitpunkt der Erhebung (Herbst 2001) das Studium der Sozialarbeit/Sozialpädagogik absolviert und/oder arbeiteten im Bereich der Sozialen Arbeit. Mit jedem der 15 Informanten führten gehörlose Projektmitarbeiter zuerst anhand eines Fragebogens ein kurzes Interview durch, in dem der sprachliche und soziale Hintergrund der Person erfragt wurde. Danach folgte ein halb- bis einstündiges Gespräch.3Diese Gespräche wurden nicht transkribiert, waren jedoch für die Auswahl der Informanten, deren Antworten bei der Abfrage der Fachbegriffe transkribiert werden sollten, wichtig. Bei der Transkription dienten sie zur stilistischen oder dialektalen Einordnung einiger von der jeweiligen Person gezeigten Gebärden. Darin wurden bestimmte Themenbereiche angesprochen, die im Zusammenhang mit der Ausbildung und der beruflichen Tätigkeit des Informanten stehen. Im Anschluss an das Gespräch wurden die für das Lexikon ausgewählten Fachbegriffe hinsichtlich ihrer gebärdensprachlichen Entsprechungen abgefragt.
Die Methode der Elizitation liefert nur eingeschränkt verlässliche natürlichsprachliche Daten, jedoch haben wir in vorangegangenen Projekten die Erfahrung gemacht, dass die Informanten relativ konsistent dieselben Gebärden für einen Fachbegriff bei der Abfrage wie im Gespräch benutzen. Um sicherzustellen, dass die Informanten den abgefragten Fachbegriff kennen, erhielt jeder Informant einige Monate vor der Erhebung eine vollständige Begriffsliste, auf der er vermerken sollte, ob der den Fachbegriff kennt und ob er ihn in die DGS übersetzen kann. Fachbegriffe, die ein Informant als unbekannt angekreuzt hatte, wurden bei ihm nicht abgefragt. Für die Abfrage wurden die Begriffe in 40 Sachgruppen eingeteilt und innerhalb einer Sachgruppe nicht alphabetisch, sondern nach inhaltlichen Aspekten angeordnet.
Die Erfahrungen aus der Erhebung zum Fachgebärdenlexikon Hauswirtschaft führten zu einer wesentlich verbesserten, kommunikativen Abfragesituation mit dem Ziel, die Belastung des Informanten zu verringern und verlässliche Antworten zu erhalten. Die auf jeden Informanten abgestimmte Begriffsliste wurde in Einheiten von maximal fünf bis sieben Fachbegriffen abgefragt. Diese wurden in einem ersten Durchgang gezeigt und der Informant konnte sich überlegen, wie er diese Begriffe gebärdet. Bei Schwierigkeiten oder Unsicherheit konnte er sich mit dem Interviewer darüber unterhalten. In der Kommunikation sollte deutlich werden, ob der Informant sich sicher oder unsicher ist und wie er selbst seine Übersetzung des Fachbegriffs einschätzt. In einem zweiten Durchgang wurden die fünf bis sieben Begriffe wiederholt und der Informant gebärdete zu jedem Begriff die Übersetzung, für die er sich entschieden hatte. Dabei konnte er Begriffe auslassen, auf später verschieben oder bereits gezeigte Gebärden korrigieren. Zur Entlastung des Interviewers und um eine möglichst vollständige Dokumentation zu erreichen, nahm an dem Interview noch eine dritte gehörlose Person aus dem Projektteam teil, die die Situation beobachtete und protokollierte, jedoch nicht auf Video aufgenommen wurde. Sie konnte den Interviewer auf unklare Situationen oder Auslassungen hinweisen und verglich die Äußerungen des Informanten in der Erhebungssituation mit seinen früheren schriftlichen Angaben auf der Begriffsliste. Anhand dieses Protokolls wurden zum Abschluss der Erhebung Korrekturen oder Übersetzungen für Begriffe aufgenommen, die der Informant aufgeschoben hatte.
Die Aufnahmen, auf denen durchgehend Interviewer und interviewte Person zu sehen sind, wurden im Institut für Deutsche Gebärdensprache gemacht. Für die Erhebung wurden pro Informant zwei Tage benötigt.
Zunächst wurden alle Gespräche sowie die Abfragen der Fachbegriffe von den gehörlosen Mitarbeitern gesichtet. Für jedes Gespräch wurde ein Inhaltsprotokoll angefertigt. Gleichzeitig wurde eine Einschätzung der gebärdensprachlichen Kompetenz des jeweiligen Informanten anhand verschiedener Kriterien vorgenommen.4Die gehörlosen Mitarbeiter werteten die Gespräche danach aus, ob die Person natürlich gebärdet, viel oder wenig Mundbild oder Mimik verwendet, wie sie den Gebärdenraum nutzt, wie sie den Körper beim Gebärden einsetzt und ob Fachgebärden vorkommen. Die Antworten auf die Abfrage der Fachbegriffe wurden wie folgt bewertet: keine Antwort, Antwort ist plausibel, Antwort passt nicht zum Fachbegriff, Person ist unsicher, Beurteilung ist schwierig. Durch die verbesserte Dokumentation der Erhebung konnte zu jeder Antwort sowohl eine aus dem Material ersichtliche Selbsteinschätzung des Informanten sowie eine Einschätzung des gehörlosen Mitarbeiters, der das Material gesichtet bzw. später transkribiert hat, vorgenommen werden.
Anhand der Ergebnisse der
Sichtung5Aus
Zeitgründen konnten wir nicht alle erhobenen
Daten berücksichtigen. Über das Ergebnis der
Sichtung hinaus haben wir einige Personen für die
Transkription ausgewählt, wenn dadurch ein
weiteres Bundesland und damit mögliche regionale
Gebärdenvarianten vertreten waren. wurden
von den 15 Informanten zehn6Aus
den Interviews zur sozialen Situation der
Informanten zum Zeitpunkt der Erhebung ergeben
sich folgende Angaben: 8 Informanten sind
weiblich, 2 männlich. Sie sind zwischen 24 und 37
Jahre alt und wohnen in folgenden Bundesländern:
Bayern, Berlin, Hamburg, Nordrhein-Westfalen,
Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein. 9
Personen sind gehörlos, eine Person ist
schwerhörig. 6 Personen haben hörende, 3 Personen
gehörlose Eltern und eine Person hat eine
gehörlose Mutter und einen schwerhörigen Vater. 7
Personen sind seit ihrer Geburt gehörlos bzw.
schwerhörig, 2 Person ertaubten im ersten
Lebensjahr und eine weitere Person im Alter von 1
1/2 Jahren.
DGS in der Familie gelernt zu haben, gaben 4
Personen an, 6 Personen lernten DGS im
Gehörlosenkindergarten, 8 Personen in der
Gehörlosenschule, 2 Personen von Nachbarn, eine
Person von gehörlosen Freunden und im
Sportverein. DGS erwarben 3 Personen seit
frühester Kindheit, eine Person im zweiten
Lebensjahr, 4 Personen im 3. oder 4. Lebensjahr,
eine Person im 7. Lebensjahr und eine Person im
Alter von 16 Jahren.
Eine Person hat einen gehörlosen und 5 Personen
einen hörenden Partner oder Partnerin; 4 Personen
machten keine Angaben. 2 Personen haben hörende
Kinder.
Alle 10 Personen haben privaten Kontakt zu
anderen Gehörlosen. In Gehörlosenvereinen oder
Sportvereinen haben eine Person regelmäßig, 8
Personen manchmal oder selten und eine Person nie
Kontakt zu anderen Gehörlosen. 9 Personen haben
beruflich Kontakt zu anderen Gehörlosen, 5
Personen haben gehörlose Arbeitskollegen.
8 Personen haben ein Studium der
Sozialarbeit/Sozialpädagogik absolviert, davon 3
im Rahmen des PotsMods. Eine Person hat
Sozialwesen studiert, eine Person hat die
Ausbildung zum Erzieher. 4 Personen arbeiten als
Sozialpädagogen mit unterschiedlichen
Schwerpunkten und 2 als Sozialarbeiter. Eine
Person arbeitet als Erzieher, eine Person nimmt
an einem Berufspraktikum im Bereich
Behindertenhilfe Teil, eine Person arbeitet an
einer Gehörlosenschule und eine weitere Person
war zum Zeitpunkt der Erhebung arbeitslos.
ausgewählt, deren Antworten auf die
Abfrage der Fachbegriffe das Datenkorpus7Insgesamt ergab die
Sichtung knapp 28 Stunden Videomaterial mit 6794
Antworten, die sich aus 15809 Einzelgebärden
(Vorkommen) zusammensetzen. darstellen,
das im Anschluss an die Sichtung transkribiert
wurde. Dazu wurden die Aufnahmen als
digitalisierte Videofilme an eine relationale
Datenbank8Es
handelt sich hierbei um einen SQL-Server und
einen speziell für die Zwecke der Transkription
entwickelten Client, der eine schnelle Erfassung
der Daten sowie einen gezielten Zugriff und
verschiedene Sichten auf die Daten ermöglicht.
Eine einführende Beschreibung findet sich unter
Hanke/Konrad/Schwarz
(2001).
Die Datenbank wurde schon für
das Fachgebärdenlexikon
Hauswirtschaft verwendet und enthält darüber
hinaus die Produktionsdaten des Fachgebärdenlexikons
Psychologie und des Fachgebärdenlexikons
Computer. Die für das SoLex erhobenen
Vorkommen verteilen sich auf 1766 Gebärden, von
denen nur 691 neu in die Datenbank eingegeben
werden mussten. angebunden. Damit ist ein
gezielter und schneller Zugriff auf die Daten
möglich. Die Struktur der Datenbank unterstützt
den Transkriptionsprozess, indem
sie es ermöglicht, Form, Bedeutung und
Äußerungskontext eines Vorkommens zu erfassen,
verschiedene Vorkommen zu vergleichen,
lexikalischen Einheiten zuzuordnen und Strukturen
und Beziehungen zwischen einzelnen Einheiten zu
dokumentieren z.B. die Beziehungen
zwischen Gebärden (Grundform -
Modifikation, Ausführungsvarianten
oder formgleiche und
formähnliche Gebärden). Zentraler Bestandteil
der Datenbank ist ein Gebärdenlexikon, d.h. eine
Liste aller in den verschiedenen Korpora
vorkommenden transkribierten Gebärden.
Zur eindeutigen Identifikation werden
unterschiedliche Gebärden mit verschiedenen Glossen benannt.
Darüber hinaus wird die Form einer Gebärde mit
dem Hamburger
Notationssystem (HamNoSys) erfasst (s. Erläuterungen zur
Transkription).
Aus den Antworten von 10 Informanten auf die Abfrage der Fachbegriffe wurde von den gehörlosen Projektmitarbeitern im Anschluss an die Dokumentation und Auswertung anhand verschiedener Kriterien eine Auswahl getroffen.9Jedes Datenkorpus stellt eine zufällige und in gewisser Weise willkürliche Auswahl sprachlicher Einheiten und Phänomene dar. Das Fachgebärdenlexikon kann daher nicht alle Gebärden enthalten, die als Übersetzung für einen Fachbegriff möglich sind. Ebenso ist nicht auszuschließen, dass wir uns in einzelnen Fällen geirrt haben. Die quantitative und qualitative Analyse sprachlicher Einheiten auf der Grundlage eines Korpus hat aber den entscheidenden Vorteil, Entscheidungen nachvollziehbar, überprüfbar und korrigierbar zu machen. Wurden ikonische Gebärden, die die begriffliche Bedeutung in ein unmittelbar einleuchtendes Bild fassen, verwendet, so wurden diese Übersetzungen immer ausgewählt. Benutzten mehrere Informanten für die Übersetzung eines Fachbegriffs gleiche Gebärden oder Gebärdenketten, so war dies ein starker Hinweis auf eine passende und akzeptable Übersetzung. Ein weiteres Kriterium bei der Auswahl war, ob die Antworten zögerlich geäußert wurden oder die Person einen unsicheren oder unzufriedenen Eindruck machte. Alle Gebärden oder Gebärdenketten wurden daraufhin beurteilt, ob sie geeignet sind, den Inhalt des Fachbegriffs wiederzugeben. In Zweifelsfällen war das Sprachgefühl der gehörlosen Mitarbeiter ausschlaggebend.
Die Auswahl aus einem empirisch erhobenen Datenkorpus soll sicherstellen, dass die im Fachgebärdenlexikon gezeigten Übersetzungen unter Gehörlosen gebräuchlich sind oder zumindest für Gehörlose unmittelbar verständlich und nachvollziehbar sind. Dieses Vorgehen macht es darüber hinaus möglich, den Erhebungsstatus einer Übersetzung anzugeben:
Jede zu einem Fachbegriff gezeigte Übersetzung hat ein Statussymbol10Siehe Hinweise zur Benutzung: Suche über Erhebungsstatus oder Aufbau eines Lexikoneintrags., das anzeigt, ob eine Übersetzung von einer oder mehreren Personen gezeigt wurde, ob es sich um neu kombinierte Gebärdenketten oder neue Gebärden-Mundbild-Kombinationen handelt oder ob ein neuer Übersetzungsvorschlag gemacht wird.11Von den 936 Gebärden oder Gebärdenketten sind 565 zwei- oder mehrmals belegt, 365 einmal belegt, 14 sind kombinierte Gebärden. Lediglich eine Gebärde als Übersetzungsvorschlag für den Begriff Hospitalismus wurde neu entwickelt.
Nach der Überprüfung der Transkription und der Auswahl der Gebärden wurde in der Datenbank eine Regieliste erstellt. Damit konnten die von den Informanten gezeigten Übersetzungen als Videofilme direkt für die Studioproduktion abgerufen werden. Die ausgewählten Übersetzungen wurden von gehörlosen Projektmitarbeitern im Studio nachgebärdet. Diese Videoaufnahmen mit 936 Übersetzungen dienten als Vorlage für die anschließende Aufnahme digitaler Fotos für 1823 Gebärden, die für die Buchversion benötigt wurden.
Die Begriffserklärungen wurden von Christian Pflugfelder in die DGS übersetzt. Er hat als DGS-Dolmetscher schon einschlägige Erfahrungen beim PotsMods gesammelt. Zunächst erstellte er12Die Übersetzungen für Fachbegriffe aus dem Bereich der Soziologie und Psychologie wurden von zwei fachkompetenten gehörlosen Mitarbeitern angefertigt. eine Rohübersetzung der fertigen Schrifttexte. Diese Rohfassungen wurden in zwei getrennten Arbeitsschritten daraufhin überprüft, ob sie inhaltlich vollständig den Ausgangstext wiedergeben13Die am Ende einer Begriffserklärung angefügten thematisch verwandten Fachbegriffe wurden nicht übersetzt. Es wurde jedoch darauf geachtet, dass die in den Begriffserklärungen enthaltenen Verweisbegriffe möglichst vollständig in die DGS-Übersetzung übernommen wurden. und ob sie für Gehörlose verständlich sind. Bei der Verständlichkeit wurde besonders auf Textstruktur, Formulierung und Stil der Gebärden geachtet. So weicht der Aufbau der DGS-Übersetzungen in vielen Fällen vom Aufbau des Schrifttextes ab, weil in der DGS andere Textstrukturen vorherrschen als in der deutschen Lautsprache. So ist es in der DGS üblich, zuerst den Bezugsrahmen herzustellen, bevor die Inhalte und Sachverhalte im Einzelnen genannt werden. Absätze, thematische Einschnitte und Aufzählungen sind durch geeignete Gliederungssignale gekennzeichnet. In Einzelfällen wurden Sachverhalte durch konkrete Beispiele veranschaulicht.
Für die Produktion des Lexikons wurden die DGS-Übersetzungen in ihrer endgültigen Fassung neu aufgenommen. Als Vorlage dienten eine individuell angefertigte schriftliche Fixierung des Inhalts in Form von Glossen sowie der Film der vorläufigen Fassung. Über 100 Übersetzungen wurden von gehörlosen Mitarbeitern gebärdet, insbesondere Übersetzungen der Begriffserklärungen soziologischer und psychologischer Fachbegriffe. Bei der Studioaufnahme wurde darauf geachtet, dass in den Begriffserklärungen enthaltene Fachbegriffe nur mit Gebärden übersetzt werden, die im Lexikon mit der entsprechenden Bedeutung dokumentiert sind. Wird ein Fachbegriff mit mehreren Gebärden übersetzt, so kann die Reihenfolge und Zusammensetzung der Gebärdenkette von den ausgewählten Entsprechungen im Lexikoneintrag abweichen, sofern alle darin enthaltenen Gebärden für die entsprechende Teilbedeutung ausgewählt sind.
Die im Kontext verwendeten Gebärden oder Gebärdenketten stimmen in ihrer Form nicht immer mit den im Lexikoneintrag gezeigten isolierten Verwendungen überein. Dies hat folgende Gründe:
In der DGS-Übersetzung einer Begriffserklärung wurde für den jeweiligen Fachbegriff immer dieselbe Gebärde bzw. Gebärdenkette verwendet. Nur in zwei Fällen (Vernachlässigung und Instanz) wurden zum Kontext passende, verschiedene Übersetzungen gewählt.
Sowohl die schriftliche Vorlage als auch die Textsorte "Begriffserklärung" haben sich auf den Gebärdenstil in den Übersetzungen ausgewirkt. Die DGS-Übersetzungen sollten den Inhalt vollständig und korrekt wiedergeben und gleichzeitig so verständlich wie möglich sein. Beide Ziele zu erfüllen war besonders schwierig bei der Übertragung feststehender juristischer Ausdrücke. Zwar lässt sich die Bedeutung von zum Beispiel "unbilliger Härte", "verbindlicher Form" oder "beschränkter Geschäftsfähigkeit" in der DGS umschreiben, die Übersetzung sollte jedoch auch deutlich machen, dass es sich hierbei um Fachausdrücke mit einer klar abgegrenzten, in der Fachsprache festgelegten Bedeutung handelt.
Die DGS-Übersetzungen unterscheiden sich von der Verwendung der DGS im Alltag auch dadurch, dass es sich hierbei nicht um eine Kommunikationssituation mit einem Gegenüber handelt, sondern um Monologe, die in die Kamera gebärdet wurden und möglichst genau einen vorgegebenen Text wiedergeben.
Für die Übertragung der Begriffserklärungen in die DGS konnte auf keine vergleichbaren Arbeiten oder Erfahrungen zurückgegriffen werden. Die Übersetzungen machen die komplexen, fachspezifischen Inhalte für Gehörlose in ihrer eigenen Sprache zugänglich. Sie können weiterhin dazu benutzt werden, das eigene Textverständnis zu überprüfen, indem DGS-Übersetzung und Schrifttext parallel gelesen werden.
Weiter zu den Erläuterungen zur Transkription