Im Glossar werden alle wichtigen Begriffe, die wir in den Hintergrundtexten und zur linguistischen Beschreibung der Gebärden in den Gebärdeneinträgen verwenden, alphabetisch aufgelistet. Dadurch besteht die Möglichkeit, unbekannte oder weniger geläufige Begriffe nachzuschlagen. Auf diese Weise wird die Benutzung des Lexikons und die Beschäftigung mit den Hintergrundtexten erleichtert und unterstützt. Das Glossar bietet gleichzeitig einen Zugang zur linguistischen Aufbereitung des im Lexikon dargestellten Ausschnitts der DGS.
Die hier aufgeführten Begriffe werden so definiert, wie es für unsere Zwecke nützlich und angemessen ist. Wir weisen darauf hin, dass einige Begriffe bzw. Sachverhalte vereinfacht dargestellt sind und dass bei einigen Begriffen nur eine von mehreren in der gebärdensprachlinguistischen Fachliteratur diskutierten theoretischen Sichtweisen berücksichtigt wird.
Ablesen (vom Mund) bedeutet, lautsprachliche Wörter (Lautsprache) anhand der Artikulationsbewegungen zu identifizieren. Da nicht alle Sprachlaute mit sichtbaren Artikulationsbewegungen einhergehen und sich die visuell wahrnehmbaren Bewegungen von Lippen, Kiefer und Zunge bei vielen Lauten gleichen, ist Ablesen ein sehr schwieriger, anstrengender und mit einer hohen Fehlerquote behafteter Prozess. Ablesen wird durch gute Beleuchtungsverhältnisse, ein deutliches, aber nicht übertriebenes Mundbild und durch Kenntnis des besprochenen Themas erleichtert. Jede Art von Kontexthinweisen und vor allem unterstützende Gesten oder Gebärden (LBG) erleichtern das Ablesen.
In der DGS wird durch Handzeichen und Mimik ein idealer Kontext geschaffen, in dem anhand der Artikulationsbewegungen einzelne lautsprachliche Wörter identifiziert werden können. Dadurch bringen diese Wörter ihre Bedeutung als Mundbilder in die gebärdensprachliche Äußerung (Gebärdensprache) systematisch mit ein.
Siehe auch:
Ausführungsvarianten sind leicht unterschiedliche Formen einer konventionellen Gebärde. Diese geringfügigen Formunterschiede verändern (erweitern oder spezifizieren) das zugrunde liegende Bild der Gebärde nicht und sind auch nicht relevant für ihre Bedeutung. Ausführungsvarianten beruhen immer auf demselben Bild, das darüber hinaus in den verschiedenen Gebärdenformen mit derselben Bilderzeugungstechnik dargestellt wird.
Zwei Ausführungsvarianten einer Gebärde haben dieselbe Kernbedeutung und sind normalerweise für einige ihrer Bedeutungen in einem gebärdensprachlichen Kontext austauschbar, ohne dass sich dadurch die Bedeutung der Äußerung ändert.
Siehe auch:
Der ausgedehnte Index ist eine erweiterte Anwendung der indizierenden Bilderzeugungstechnik bzw. eine Gebärde, die mit dieser erweiterten Technik erzeugt wurde. Beim ausgedehnten Index wird nicht nur auf einen Gegenstand gezeigt, sondern durch eine meist seitliche oder kreisende Bewegung gleichzeitig auch grob seine Ausdehnung angedeutet. Den ausgedehnten Index findet man oft bei Gegenständen, die größere Ausmaße oder keine klaren Grenzen haben, sich nicht an einer eng begrenzten Stelle befinden oder die selbst Bestandteile oder Regionen eines größeren Gegenstands sind. Diese Technik wird besonders häufig bei Gebärden angewendet, die den Körper als Modell nutzen, an dem durch Zeigen auf Körperteile oder Körperbereiche Bezug genommen wird.
Siehe auch:
Der bewegte Index ist eine erweiterte Anwendung der indizierenden Bilderzeugungstechnik bzw. eine Gebärde, die mit dieser erweiterten Technik erzeugt wurde. Beim bewegten Index zeigt die Hand auf einen bewegten Gegenstand und vollzieht mit ihrer Bewegung die Bewegungen des Gegenstands nach, indem sie dadurch die Strecke, die der Gegenstand zuurücklegt, andeutet.
Siehe auch:
Das Bild einer Gebärde ist eine visuelle Vorstellung, die der Form einer ikonischen Gebärde zugrunde liegt und die durch diese Form beim Gesprächspartner aktiviert werden kann. Die zugrunde liegenden Bilder spielen eine Rolle bei der Entstehung und bei der Verwendung von Gebärden. (Bildhaftigkeit, Bilderzeugungstechniken, produktive Gebärden, Modifikation, produktive Verwendung)
Siehe auch:
In der DGS gibt es verschiedene Methoden oder Verfahren, mithilfe von Handzeichen bewegte und unbewegte Bilder zu erzeugen (Bildhaftigkeit). Die verschiedenen Bilderzeugungstechniken unterscheiden sich darin, welche Rolle die Hand im Bild übernimmt und welche Funktion der Bewegung zukommt:
Die einzelnen Techniken können auch miteinander kombiniert auftreten. (Siehe auch Fokus, Hold und Stilisierung.)
Siehe auch:
Handzeichen sind visuell wahrnehmbare Gebilde in Raum und Zeit und eignen sich deshalb prinzipiell zur Darstellung von unbewegten und bewegten Bildern. Die meisten Gebärden sind bildhaft (ikonisch), d.h. in ihrer Form finden sich Aspekte des Bezeichneten wieder. Die Form einer ikonischen Gebärde lässt sich auf ein Bild zurückführen, das in einem direkten oder indirekten Zusammenhang mit der Bedeutung der Gebärde steht. Diese Eigenschaft von Gebärden und anderen Zeichen, Aspekte ihrer Bedeutung in ihrer Form aufzunehmen, wird als Bildhaftigkeit (Ikonizität) bezeichnet.
Ikonizität spielt bei der Entstehung von Gebärden eine Rolle (Bilderzeugungstechniken). Darüber hinaus bietet die Interpretation von Gebärden als Bilder die Möglichkeit, die Gebärdenformen bedeutungsrelevant zu verändern (Modifikation, Reikonisierung).
Siehe auch:
Viele Gebärden sind ikonisch (Bildhaftigkeit). Im Laufe der Zeit können verschiedene Entwicklungen wie z.B. Stilisierungs- und Grammatikalisierungsprozesse zur Veränderung der Gebärdenform führen. Manchmal bewirken solche Veränderungen, dass das der Gebärde ursprünglich zugrunde liegende Bild nicht mehr erkannt werden kann. Den Prozess, der zu einem Verlust der Ikonizität führt, und sein Ergebnis nennt man Deikonisierung. (Vgl. Reikonisierung.)
siehe DGS
DGS ist die natürlich gewachsene Sprache der Gehörlosen in Deutschland. Die DGS bedient sich als Gebärdensprache verschiedener Einheiten zur Übermittlung von Bedeutungen. Diese Einheiten sind Handzeichen, Mundbilder, Mimik, Mundgestik und andere nonmanuelle Zeichen, die nach bestimmten Regeln zu Äußerungen kombiniert werden. Die DGS hat, im Gegensatz zum LBG, eine eigene, vor allem über räumliche Beziehungen realisierte Grammatik. In der DGS gibt es mehrere regionale Dialekte.
Die dominante Hand ist die von einer Person bei feinmotorischen manuellen Tätigkeiten bevorzugte Hand. Dies ist bei Rechtshändern die rechte und bei Linkshändern die linke Hand (Händigkeit).
Fingeralphabete sind sekundäre Zeichensysteme, mit deren Hilfe sich lautsprachliche (Lautsprache) Wörter in ihrer schriftlichen Form durch Handzeichen buchstabieren lassen (fingern). Dabei gibt es normalerweise für jeden Buchstaben des Lautsprachalphabets ein Handzeichen sowie gegebenenfalls Zeichen für bestimmte Laute, die in der Schriftsprache durch Buchstabenkombinationen ausgedrückt werden (z.B. gibt es im deutschen Fingeralphabet ein Handzeichen für die Buchstabenkombination „sch“). Das in Deutschland übliche Fingeralphabet besteht aus einhändigen Handzeichen, von denen nur wenige Zeichen auch eine spezifische Bewegung beinhalten.
Das Fingeralphabet wird in der DGS vor allem zum Buchstabieren von Eigennamen, Fach- und Fremdwörtern benutzt. Darüber hinaus können einzelne Fingeralphabetbuchstaben allein oder in Kombination mit Gebärden die Funktion einer Ablesehilfe (Ablesen) für ein zeitgleich geäußertes Mundbild übernehmen. Einzelne Handformen des Fingeralphabets, die in dieser Funktion verwendet werden, können auch mit einer einfachen Bewegung kombiniert werden (Initialisierung). Gelegentlich wird eine Handform des Fingeralphabets in eine schon vorhandene Gebärdenform integriert, wodurch eine neue Gebärde entsteht (Kombination).
S. auch:
Das Buchstabieren eines lautsprachlichen Worts oder eines Eigennamens mithilfe des Fingeralphabets wird fingern genannt. Die einzelnen Handzeichen werden hierbei nacheinander gebildet. Die Hand wird beim Buchstabieren von Wörtern in der Regel in Schulterhöhe und dem Zuhörer zugewandt gehalten.
Als Fingerspiel bezeichnen wir die handinterne Bewegung der Finger, die einzeln wiederholt leicht abgeklappt und anschließend wieder gestreckt werden, sodass eine leichte Wellenbewegung der Finger entsteht. Fingerspiel kommt hauptsächlich bei der Fünf-Hand vor.
In einigen Fällen dient eine Hand (meist die nichtdominante Hand) lediglich dazu, den Blick auf die andere, aktive Hand oder das bewegte Körperteil zu lenken, indem die nichtdominante Hand in die Nähe der relevanten Ausführungsstelle gehalten wird. Diese Funktion der Hand nennen wir Fokus. Die Funktion der Hand bei einem Fokus ist der Funktion des Index sehr ähnlich, jedoch wesentlich unkonkreter oder unspezifischer.
Unter einer Gebärde verstehen wir eine sprachliche Form einer Gebärdensprache. Das zentrale und manchmal einzige Element einer Gebärde ist das Handzeichen. In einigen Fällen ist das Handzeichen mit einem nonmanuellen Zeichen (z.B. Mundgestik oder Mimik) verbunden, mit dem es eine stabile Einheit bildet. In diesen Fällen besteht die Gebärde aus Handzeichen und nonmanuellem Zeichen. In anderen Fällen werden Handzeichen mit nonmanuellen Zeichen auf dynamische und produktive Weise kombiniert. In diesen Fällen ist das nonmanuelle Zeichen nicht Teil der Gebärde.
In der DGS werden Gebärden häufig von Mundbildern begleitet, die mehr oder weniger stabile Verbindungen mit einzelnen Gebärden eingehen. Mundbilder betrachten wir nicht als Bestandteile von Gebärden.
In der Analyse unterscheiden wir konventionelle Gebärden, produktive Gebärden und sonstige Gebärden.
Als Gebärdenkette bezeichnen wir eine Abfolge von zwei oder mehreren Gebärden, die dazu dienen, eine Bedeutung auszudrücken. Zwei besondere Formen von Gebärdenketten sind Lehnübersetzungen und sequenzielle Komposita. Mehrteilige lautsprachliche Begriffe werden oft durch Gebärdenketten in die DGS übersetzt (Lehnübersetzung). Meist sind solche Gebärdenketten keine fest gefügten Verbindungen von Gebärden, sondern werden spontan zusammengestellt (Produktivität). Es gibt aber auch Gebärdenketten, die lexikalisiert sind und fest zum Gebärdeninventar der DGS gehören (sequenzielle Komposita).
S. auch:
Der Gebärdenraum ist der körpernahe Bereich, im Wesentlichen vor dem Sprecher, in dem die Gebärden ausgeführt werden. Er schließt die beim Gebärden einbezogene Körperoberfläche des Sprechers mit ein. Normalerweise werden Gebärden im Bereich vor oder am Oberkörper und dem Kopf ausgeführt. Dadurch wird gewährleistet, dass ein Gesprächspartner Gesichts- und Handaktivitäten gleichzeitig wahrnehmen kann. Im Allgemeinen geht man davon aus, dass der Gebärdenraum ungefähr bis zur Hüfte geht. Insbesondere Gebärden, die etwas mit bestimmten Körperteilen oder Körperfunktionen zu tun haben, können jedoch in vielen Fällen auch tiefer oder hinter dem Körper ausgeführt werden, wenn sie z.B. durch Zeigen auf oder Positionierung am Körper bestimmte Körperteile in die Gebärdenform integrieren. Dabei spielt vor allem die Erreichbarkeit der entsprechenden Körperteile und vermutlich auch die Sichtbarkeit für den Gesprächspartner eine Rolle. (Gebärdenraumnutzung)
S. auch:
Beim Gebärden kann der Gebärdenraum auf vielfältige Weise genutzt werden, um Äußerungsinhalte zu gliedern, räumliche Verhältnisse darzustellen (Gebärdenraum als Bühne) und grammatische Bezüge zu realisieren. Dabei werden Personen, Gegenstände oder abstrakte Redegegenstände bestimmten Orten im Gebärdenraum zugeordnet (Verortung). Über diese Orte kann später wieder Bezug auf diese Redegegenstände genommen werden.
Zur Nutzung des Gebärdenraums s. auch Positionierung, variierbare Gebärden, körperbezogen variierbare Gebärden, raum- und körperbezogen variierbare Gebärden, invariante Gebärden und Zeigegebärden.
S. auch:
Eine Gebärdensprache ist eine natürliche Sprache, bei der Handzeichen (Gebärden) mit anderen visuell wahrnehmbaren Signalen wie Körperhaltung, Blickrichtung, Mimik, Mundgestik und Mundbild kombiniert werden. Lautsprachen unterscheiden sich von Gebärdensprachen darin, dass sie zur Kodierung von Bedeutungen nicht auf visuell wahrnehmbare Signale zurückgreifen, sondern auf Kombinationen verschiedener Laute. Die Gebärdensprachgemeinschaft in Deutschland verwendet die Deutsche Gebärdensprache (DGS).
Eine Glosse ist ein Name oder Etikett für eine Gebärde bzw. Gebärdenform. Unter einer Glosse werden alle Handzeichen zusammengefasst, die sich nicht in relevanter Weise in Form und/oder Bild voneinander unterscheiden und einem zum Bild passenden Bedeutungsbereich zugeordnet werden können. In einem Lexikon dient eine Glosse zur eindeutigen Identifizierung einer Gebärde bzw. Gebärdenform sowie als Ordnungselement und Erinnerungshilfe. Mithilfe von Glossen werden gebärdensprachliche Vorkommen handhabbar und können schnell aufgefunden werden.
Üblicherweise besteht eine Glosse aus einem lautsprachlichen Wort (Glossenname), das mit GROSSBUCHSTABEN notiert und gegebenenfalls durch weitere Zusätze (z.B. Zahlen, Buchstaben, Kürzel) ergänzt wird. Obwohl der Glossenname häufig an die Kernbedeutung der gebärdensprachlichen Form erinnert, ist eine Glosse keine Bedeutungsangabe oder Übersetzung der Gebärde. (Siehe auch Transkription.)
S. auch:
s. Glosse
Häufig gibt es mehrere Gebärdenformen, die sich auf ein gemeinsames Bild zurückführen lassen, das bei den verschiedenen Gebärdenformen so verändert ist, dass die Formunterschiede mit entsprechenden Bedeutungsunterschieden einhergehen. Unter einer Grundform verstehen wir die einfachste oder gebräuchlichste Form einer solchen Gruppe verwandter Gebärdenformen, aus der sich die anderen Formen durch Modifikation ableiten lassen. Die Grundform ist meist auch die Form, mit der eine Gebärde ausgeführt wird, wenn sie außerhalb eines konkreten Verwendungskontextes isoliert geäußert wird.
S. auch:
Als Händigkeit wird die angeborene Bevorzugung einer Hand bei der Verrichtung feinmotorischer manueller Tätigkeiten wie z.B. dem Schreiben oder dem Gebärden bezeichnet. Die von einer Person bevorzugte Hand wird dominante Hand genannt. Dies ist bei Rechtshändern die rechte und bei Linkshändern die linke Hand. Die andere Hand wird entsprechend nichtdominante Hand genannt.
Einhändige Gebärden werden in der Regel mit der dominanten Hand ausgeführt. In nichtsymmetrischen zweihändigen Gebärden führen die dominante und die nichtdominante Hand unterschiedliche Rollen aus. Normalerweise übernimmt die dominante Hand die aktive und die nichtdominante Hand die passive Rolle.
Die Händigkeit kann bei Personen unterschiedlich stark ausgeprägt sein. Bei einigen Gehörlosen wechselt die aktive Rolle beim Ausführen von Gebärden zeitweilig zur nichtdominanten Hand, ohne dass ihnen dies bewusst wird.
S. auch:
HamNoSys ist die Abkürzung für Hamburger Notationssystem für Gebärdensprachen. Mithilfe von HamNoSys kann die Form eines Handzeichens mit Symbolen für Handform, Handstellung, Ausführungsstelle, Bewegung und Zusatzsymbolen aufgeschrieben werden. (S. auch Transkription.)
S. auch:
In verschiedenen Teilen des Lexikons verwenden wir Bezeichnungen1Einige der hier aufgelisteten Bezeichnungen für Handformen sind aus Heßmann (2001, Bd. 1, 157ff.) entnommen, andere stammen von uns. für bestimmte Handformen, die in der DGS vorkommen. Im Folgenden sind diese von uns verwendeten Handformbezeichnungen zusammen mit einer Beschreibung der dazugehörigen Handform aufgelistet. Es handelt sich hierbei nicht um eine vollständige Liste aller Handformen der DGS, sondern nur um die im Lexikon verwendeten Bezeichnungen einzelner Handformen.
| C-Hand | Vier Finger sind ausgestreckt und gebogen. Sie liegen aneinander an und bilden eine geschlossene, gebogene Fläche. Der Daumen ist abgespreizt, gebogen und ragt aus der Ebene der Handfläche heraus. Der Daumen und die übrigen Finger bilden zusammen einen Halbkreis bzw. ein C (s. auch Fingeralphabet: C). | |
| kleine C-Hand | Daumen- und Zeigefinger sind ausgestreckt, gebogen und bilden zusammen einen Halbkreis bzw. ein C. Die restlichen Finger sind wie bei der Faust eingerollt. | |
| F-Hand | Daumen- und Zeigefinger berühren sich mit den Fingerkuppen und bilden so einen geschlossenen Kreis. Die restlichen Finger sind locker ausgestreckt und gespreizt (s. auch Fingeralphabet: F). | |
| Faust | Vier Finger sind eingerollt und der Daumen liegt quer über den eingerollten Fingern. | |
| Flachhand | Geöffnete Hand. Alle Finger sind gestreckt, liegen aneinander an und bilden eine geschlossene Fläche. Der Daumen ist in der Regel abgespreizt, kann aber auch anliegen. | |
| gebogene Flachhand | Geöffnete Hand. Alle Finger liegen aneinander an und bilden eine geschlossene Fläche, die gebogen ist. Der Daumen ist in der Regel abgespreizt, kann aber auch anliegen. | |
| Fünf-Hand | Alle fünf Finger sind gestreckt, gespreizt und liegen in einer Ebene. | |
| Mittelhand | Alle Finger sind ausgestreckt und abgespreizt, der Mittelfinger ist im Ansatzgelenk nahezu rechtwinklig abgewinkelt. | |
| Schnapshand | Der gestreckte Daumen und der gestreckte, abgewinkelte Zeigefinger sind parallel zueinander, sodass sich die Fingerkuppen mit etwas Abstand gegenüberstehen. Die restlichen Finger sind wie bei der Faust eingerollt. | |
| Zeigehand | Der Zeigefinger ist gerade und ausgestreckt, die restlichen Finger sind eingerollt wie bei einer Faust. Der Daumen liegt quer über den eingerollten Fingern. |
Ein Handzeichen ist eine Aktivität einer oder beider Hände im Raum (Gebärdenraum), die absichtsvoll zum Zweck der Kommunikation eingesetzt wird. Jedes Handzeichen hat eine bestimmte Form, die sich mithilfe von Handform, Handstellung, Ausführungsstelle und Bewegung beschreiben lässt (HamNoSys) und die es von anderen Handzeichen unterscheidet. Wir betrachten Handzeichen als zentrale Einheiten der DGS, die alleine oder in Kombination mit Mundbildern, Mimik oder/und anderen nonmanuellen Zeichen verwendet werden.
Ein Handzeichen ist der manuelle Teil einer Gebärde.
Ein Hold ist eine Handform, die nach der Ausführung einer Gebärde mit ihrer Form und Orientierung in ihrer Endposition auch noch während der Folgegebärde stehengelassen bzw. weiter gehalten wird (Englisch: hold = halten). Holds können dazu dienen, den durch die erste Gebärde im Gebärdenraum visualisierten Gegenstand auch während der folgenden Gebärde im Gebärdenraum weiter präsent zu halten. Auf diese Weise ist es möglich, die zweite Gebärde mit einem räumlichen Bezug zur vorangegangenen Gebärde auszuführen.
Als Homonyme bezeichnet man zwei oder mehrere Lexeme (konventionelle Gebärden oder lautsprachliche Wörter) mit unterschiedlichen Bedeutungen, die zufällig dieselbe Form aufweisen, aber etymologisch nicht miteinander verwandt sind.
Wir analysieren formgleiche Gebärden, deren Formen auf verschiedene zugrunde liegende Bilder zurückgeführt werden können, als Homonyme.
S. auch:
Als Index bezeichnen wir die in einer indexikalischen Gebärde vorkommende Handform und manchmal auch indexikalische Gebärden selbst. In der DGS werden nur wenige Handformen als Index verwendet. Am häufigsten kommen hier die Zeigehand und die Flachhand vor. (S. auch ausgedehnter Index, bewegter Index, Zeigegebärden)
Eine indexikalische Gebärde ist eine Gebärde, die auf der indizierenden Technik beruht. In indexikalischen Gebärden kommen nur wenige Handformen vor. Am häufigsten sind in der DGS die Zeigehand und die Flachhand. Die bei indexikalischen Gebärden vorkommenden Handformen sowie manchmal die Gebärden selbst nennen wir Index.
Zu den indexikalischen Gebärden gehören einige lexikalisierte Gebärden (konventionelle Gebärden), manche produktive Gebärden und Zeigegebärden, die eine Sonderstellung unter den indexikalischen Gebärden einnehmen, da sie besondere grammatische Funktionen erfüllen.
Zwei Sonderformen der indexikalischen Gebärden, bei denen eine zusätzliche Bewegung hinzukommt, sind ausgedehnte Indexe und bewegte Indexe.
Die indizierende Technik ist eine Bilderzeugungstechnik der DGS, bei der die Hand des Sprechers dazu verwendet wird, einen bestimmten Gegenstand zu identifizieren, indem sie entweder in dessen Richtung weist oder ihn berührt. Die Hand dient bei dieser Technik lediglich dazu, die Aufmerksamkeit in die gewünschte Richtung bzw. auf den gemeinten Gegenstand zu lenken. Das Ziel einer solchen indexikalischen Gebärde kann ein Körperteil, ein im realen Raum vorhandener oder gedachter Gegenstand, eine substitutiv verwendete Handform, ein indirekt manipulativ dargestellter Gegenstand oder ein Ort im Gebärdenraum sein.
In der DGS wird nur eine kleine Anzahl indizierender Handformen (Index) verwendet. Am häufigsten treten die Zeigehand und die Flachhand auf. (S. auch Zeigegebärden.)
Zwei erweiterte Formen der indizierenden Technik sind der ausgedehnte Index und der bewegte Index.
S. auch:
Ein Informant ist eine sprachkompetente, im günstigsten Fall muttersprachliche Person (native signer, native speaker), die Linguisten als Informationsquelle dient und sprachliche Daten liefert, welche zu Analysezwecken ausgewertet werden. (S. auch Korpus.)
Siehe auch:
Handzeichen lassen sich spontan in einem bestimmten Äußerungskontext neu bilden, indem Handformen des Fingeralphabets mit einer einfachen Bewegung (hin- und herschütteln oder kreisen, gerade Bewegung zur Seite oder nach unten) kombiniert werden. Die Handform entspricht meist dem Anfangsbuchstaben des lautsprachlichen Worts, das das Handzeichen als Mundbild begleitet, und soll das Ablesen erleichtern. Solche Handzeichen bezeichnen wir als Initialisierungen.
S. auch:
Invariante Gebärden sind Gebärden, die nicht variiert werden können (variierbare Gebärden), d.h. sie können weder an verschiedenen Stellen im Gebärdenraum bzw. am Körper positioniert werden (Positionierung) noch ihre Bewegung und/oder Orientierung je nach Kontext und inhaltlichen Bezügen verändern. Invariante Gebärden werden immer mit derselben Orientierung und Bewegung an derselben Ausführungsstelle ausgeführt. Die überwiegende Mehrzahl der invarianten Gebärden hat eine feste Ausführungsstelle am Körper, die meist durch das Bild der Gebärde motiviert ist und nicht verändert werden kann, weil die Bedeutung dies nicht zulässt.
S. auch:
Gebärden, die an verschiedenen Stellen des Körpers ausgeführt werden können, um ihre Bedeutung entsprechend zu modifizieren (Modifikation), nennen wir körperbezogen variierbare Gebärden. Durch die Ausführungsstelle stellt die Gebärde einen Bezug zum jeweiligen Körperteil her, indem sie ihn in ihre Bedeutung mit aufnimmt. Körperbezogen variierbare Gebärden sind eine Untergruppe der variierbaren Gebärden. (S. auch Positionierung.)
S. auch:
Als Kombination bezeichnen wir eine Gebärde, die sich aus zwei anderen Gebärden zusammensetzt und deren Form sich nicht wie bei sequenziellen Komposita eindeutig in zwei zeitlich aufeinanderfolgende, voneinander unabhängige Einzelteile (Handzeichen) zerlegen lässt. Die Form einer Kombination ist so aus den verschiedenen Formelementen (Handform, Handstellung, Ausführungsstelle, Bewegung) der beiden Gebärden zusammengesetzt, dass einige Elemente von der einen und andere Elemente von der anderen Gebärde stammen. Auch die Verschmelzung einer Gebärde mit einer Handform des Fingeralphabets, die die ursprüngliche Handform ersetzt und so in die Form der Gebärde integriert wird, bezeichnen wir als Kombination.
Unter Konvention versteht man eine Festlegung, z.B. die Festlegung bestimmter Formen als Einheiten einer Sprache und ihre Zuordnung zu bestimmten Bedeutungen, die aufgrund von Gewohnheit (z.B. Sprachgebrauch) oder expliziter Vereinbarung in einer Sprachgemeinschaft gültig ist. Um ein konventionelles Sprachzeichen richtig zu verwenden und seine Bedeutung zu verstehen, muss man die entsprechende Konvention kennen. (S. auch konventionelle Gebärden, konventionelle Verwendung, sprachliche Form, Lexem, Lexikalisierung.)
Konventionelle Gebärden sind Einheiten des Gebärdenschatzes (Lexikon), die relativ stabile Formen und festgelegte Bedeutungen haben. Form und Bedeutungsumfang sind durch die in der Sprachgemeinschaft übliche Verwendung festgelegt (Konvention, Lexikalisierung). Die meisten konventionellen Gebärden sind bildhaft (Bildhaftigkeit) und können mit einem ganzen Bereich von Bedeutungen verbunden sein. Das der Gebärde zugrunde liegende Bild steckt den Bereich ihrer möglichen Bedeutungen ab. Welche Bedeutung im jeweiligen Kontext durch die Gebärde ausgedrückt wird, geht aus dem Kontext und/oder dem gleichzeitig verwendeten Mundbild hervor. Konventionelle Gebärden sind für den Sprachbenutzer als fertige Einheiten verfügbar, im Gegensatz zu produktiven Gebärden, die im jeweiligen Kontext für eine bestimmte Bedeutung spontan neu gebildet werden (sprachliche Form, Produktivität).
Viele konventionelle Gebärden können variiert und modifiziert werden (variierbare Gebärden, körperbezogen variierbare Gebärden, raum- und körperbezogen variierbare Gebärden, Modifikation). Bei konventionellen Gebärden unterscheiden wir konventionelle und produktive Verwendungen.
S. auch:
Konventionelle Gebärden haben eine oder mehrere Bedeutungen, in denen sie besonders häufig oder regelmäßig verwendet werden. Diese etablierten Form-Bedeutungs-Paare nennen wir konventionelle Verwendungen konventioneller Gebärden. In der Regel werden diese Gebärden zusammen mit einem Mundbild ausgeführt, das ihrer Bedeutung in der konventionellen Verwendung entspricht.
S. auch:
Ein Korpus ist eine Sammlung sprachlicher Daten, die zum Zweck der linguistischen Analyse erhoben, ausgewählt und aufbereitet werden (Transkription). Die Sprachdaten sollten in einer möglichst natürlichen Gesprächssituation erhoben werden und von Informanten stammen, die Muttersprachler (native signer, native speaker) sind.
s. LBG
Eine Lautsprache ist eine natürliche Sprache, die bei ihrer primären Verwendungsform auf der Erzeugung und Wahrnehmung von Lauten basiert. Lautsprachen können in einer sekundären Verwendungsform auch geschrieben werden. Gebärdensprachen unterscheiden sich von Lautsprachen unter anderem darin, dass sie zur Kodierung von Bedeutungen nicht auf Kombinationen von Lauten zurückgreifen, sondern auf Handzeichen und andere visuell wahrnehmbare Signale wie z.B. Körperhaltung, Mimik, Mundgestik und Mundbild.
LBG ist der Gebrauch eines künstlichen Systems von Handzeichen, um das Ablesen einer lautsprachlichen Äußerung zu erleichtern. Dabei werden entweder alle oder die wesentlichen Wörter von Handzeichen begleitet. Diese Handzeichen helfen, die Lautsprachäußerung in Einzelzeichen zu segmentieren, und ermöglichen durch einen visuellen Kontext das Ablesen der Wörter. Die grammatische Struktur der Lautsprachäußerung, d.h. die Abfolge von Wortteilen und Wörtern, wird in LBG beibehalten und über die Handzeichen sichtbar gemacht. Erfolgreiche Kommunikation mit LBG setzt unter anderem eine gute Kenntnis der entsprechenden Lautsprache voraus. Viele Gebärden, die in LBG benutzt werden, stammen ursprünglich aus der DGS. (S. auch Mundbild.)
Lehnübersetzungen sind Gebärdenketten, die bei der Übertragung mehrgliedriger lautsprachlicher Wörter, insbesondere Komposita, in die DGS entstehen und deren Struktur der Struktur des als Mundbild artikulierten Wortes angeglichen wird. Bei solchen Lehnübersetzungen wird der komplexe Ausdruck in mehrere Bestandteile aufgeteilt und jeder dieser Teile mit einer Gebärde kontextualisiert. Dazu werden häufig Gebärden genommen, die in der DGS auch alleine konventionell für die Bedeutung des Wortteils oder, wenn er polysem ist, für eine seiner Bedeutungen verwendet werden. Manchmal wird auch eine Gebärde benutzt, die konventionell mit einem formseitig sehr ähnlichen Wort assoziiert ist.
Als Lemma bezeichnet man die Wort- oder Gebärdenform bzw. Glosse, durch die in einem Lexikoneintrag ein sprachliches Zeichen (ein Wort oder eine Gebärde) repräsentiert wird. Das Lemma steht am Anfang eines Eintrags und wird auch für die alphabetische Sortierung und als Adresse für Verweise genutzt.
Ein Lexem ist eine eigenständige konventionelle (Konvention) sprachliche Form, die eine abstrakte Einheit des Wort- bzw. Gebärdenschatzes einer Sprache darstellt. Zu einem Lexem können mehrere verschiedene Formen gehören, die alle dieselbe lexikalische Bedeutung haben, aber unterschiedliche grammatische Informationen enthalten. Ein Lexem kann gegebenenfalls auch aus zwei oder mehreren Lexemen zusammengesetzt sein (Kompositum, sequenzielles Kompositum, Kombination). Die Realisierung eines Lexems im tatsächlichen Gebrauch bezeichnen wir als Vorkommen.
Produktive Gebärden sind keine Lexeme, da ihre Bedeutungen nicht konventionell festgelegt sind und sie keine festgefügten abstrakten Einheiten bilden. (S. auch Lexikalisierung.)
Als Lexikalisierung bezeichnet man den Prozess, durch den ein neu erfundenes oder geprägtes oder aus einer anderen Sprache entliehenes sprachliches Zeichen (z.B. ein Wort oder eine Gebärde) fest in den Wort- bzw. Gebärdenschatz einer Sprache aufgenommen wird. Durch Lexikalisierung wird ein neues Wort oder eine neue Gebärde zu einem konventionellen Zeichen einer Sprache. (S. auch Lexem, Konvention, konventionelle Gebärde.)
Die manipulative Technik ist eine Bilderzeugungstechnik der DGS, bei der die Hände des Sprechers die Formen, Anordnung und Bewegungen der Hände einer Person bei einer bestimmten Handlung mehr oder weniger detailgetreu nachahmen. Bei der Interaktion mit imaginären Gegenständen werden Handformen gebildet, die zeigen oder andeuten, wie diese Gegenstände angefasst oder berührt werden (besonders Griffhandformen). Die Handformen passen sich dabei teilweise an diese imaginären Gegenstände an. Die Gegenstände selbst werden nicht dargestellt, sind aber im Bild durch Handformen, räumliche Verhältnisse und Bewegungen indirekt präsent. Mithilfe der manipulativen Technik werden aber auch Handlungen dargestellt, bei denen es nicht um die Interaktion mit Gegenständen geht, sondern ganz allgemein um Dinge, die mit den Händen getan werden.
S. auch:
Die maßanzeigende Technik ist eine Bilderzeugungstechnik der DGS, bei der die Hände oder einzelne Finger des Sprechers dazu verwendet werden, die Größe bzw. Ausdehnung eines Gegenstands anzuzeigen. Die Hände bzw. Finger werden dabei so zueinander oder zu einem anderen Bezugspunkt (z.B. dem Boden) in Beziehung gesetzt, dass hierdurch ein Größenverhältnis angedeutet wird. Hierzu werden nur einige wenige, relativ einfache Handformen verwendet, die nicht von Formaspekten des beschriebenen Gegenstands geprägt sind. Die Handform ist jedoch in der Regel an die Größe oder Ausdehnung des Gegenstands angepasst. Mit der Flachhand wird die Ausdehnung von großen, dreidimensionalen Gegenständen gezeigt, mit der Zeigehand oder kleinen C-Hand die Ausdehnung von kleinen Gegenständen.
S. auch:
Als Mimik werden Bewegungen des Gesichts (besonders Augen, Augenbrauen, Wangen, Mund) bezeichnet, die in der DGS absichtsvoll zur Kommunikation eingesetzt werden. Mimik ist in erster Linie ein expressiver Ausdruck, der zur Bedeutung der gebärdensprachlichen Äußerung beiträgt oder grammatische Funktion haben kann (z.B. Fragemimik). Eine Mimik wird oft dynamisch mit einem oder mehreren Handzeichen kombiniert. (S. auch nonmanuelle Zeichen.)
Bei der von uns als Modell bezeichneten Bilderzeugungstechnik wird der Körper des Gebärdenden wie ein Modell des menschlichen Körpers eingesetzt. Durch eine Gebärdenform kann auf einzelne Körperteile oder Körperregionen Bezug genommen werden, z.B. indem auf das Modell gezeigt oder am Modell etwas skizziert oder platziert wird. In einigen zweihändigen Gebärden hat die nichtdominante Hand lediglich die Funktion, sich selbst als Körperteil zu repräsentieren, auf den beispielsweise gezeigt oder an dem etwas skizziert oder platziert wird. (Siehe auch körperbezogen variierbare Gebärden, Positionierung, indizierende Technik, skizzierende Technik.)
Siehe auch:
Eine Modifikation ist eine bedeutungsrelevante Formveränderung einer konventionellen Gebärde, die auf einer Veränderung (Spezifizierung oder Erweiterung) des ihr zugrunde liegenden Bildes beruht. Das veränderte Bild bewirkt eine entsprechende Veränderung der Bedeutung. Der Begriff Modifikation bezeichnet sowohl den Prozess der Veränderung als auch das dadurch entstandene abgeleitete Handzeichen. Die ursprüngliche Gebärdenform, von der eine Modifikation abgeleitet ist, nennen wir Grundform.
Viele Modifikationen werden aufgrund grammatischer Regeln gebildet und kodieren räumliche oder grammatische Bezüge oder markieren andere grammatische Informationen (s. auch variierbare Gebärden). In diesen Fällen handelt es sich bei der Modifikation um eine andere Gebärdenform derselben Gebärde. Einzelne modifizierte Gebärdenformen können für ganz bestimmte Bedeutungen lexikalisiert werden (Lexikalisierung, Lexem, Konvention). Diese Bedeutungen können über die aus Grundbedeutung und Bildveränderung erwartbare Bedeutungsveränderung hinausgehen. Solche lexikalisierten Modifikationen stellen eigenständige Gebärden dar, die aufgrund ihrer Entstehungsgeschichte und durch das Bild mit ihrer Grundform verwandt sind.
S. auch:
Unter einem Mundbild verstehen wir bestimmte Mundbewegungen, die in der DGS meistens mit Handzeichen kombiniert vorkommen und absichtsvoll zur Kommunikation eingesetzt werden. Mundbilder ähneln den Artikulationsbewegungen gesprochener Wörter (Lautsprache) oder Teilen davon so stark, dass sie in der Regel im Kontext der Gebärdenäußerung als Wörter identifiziert werden (Ablesen) und so deren Bedeutung in die gebärdensprachliche Äußerung mit einbringen. Mundbilder sind meist lautlos artikulierte, vollständige oder reduzierte Wörter, die in eine gebärdensprachliche Äußerung eingebettet sind und die Handzeichen begleiten.
S. auch:
Als Mundgestik bezeichnen wir Mund-, Lippen-, Zungen- und Wangenbewegungen, die in der DGS absichtsvoll zur Kommunikation eingesetzt werden und die keinen Bezug zu einem lautsprachlichen Wort erkennen lassen (Mundbilder). Mundgestik ist ein eher expressiver Ausdruck, der zur Bedeutung der gebärdensprachlichen Äußerung beitragen kann. Mundgestiken werden oft dynamisch mit Handzeichen kombiniert. Eine bestimmte Mundgestik kann aber auch fester Bestandteil einer Gebärde sein.
Als native signer bezeichnet man Mitglieder einer Gebärdensprachgemeinschaft, die diese Sprache von Geburt oder frühem Kindesalter an im natürlichen Prozess des Spracherwerbs im Umgang mit ihren Bezugspersonen erlernt haben und seitdem verwenden. Analog zum native speaker bei Lautsprachen ist ein native signer ein Muttersprachler einer Gebärdensprache. (S. auch Sprecher, Informant.)
Die nichtdominante Hand ist die von einer Person bei feinmotorischen manuellen Tätigkeiten nicht bevorzugte Hand. Dies ist bei Rechtshändern die linke und bei Linkshändern die rechte Hand (Händigkeit).
Sprachliche Mittel, die keine Handzeichen sind und in Gebärdensprachen absichtsvoll eingesetzt werden, um Bedeutungen zu übermitteln, werden unter dem Begriff nonmanuelle Zeichen zusammengefasst. Zu den nonmanuellen Zeichen gehören in der DGS vor allem Mundgestik, Mimik, Körperhaltung und -orientierung und Blickrichtung. Wir betrachten Mundbilder als eigenen Zeichentyp und zählen sie daher nicht zu den nonmanuellen Zeichen.
Das Phonembestimmte Manualsystem besteht aus einer Reihe von Handzeichen, die in der Gehörlosenpädagogik als Hilfe zur Artikulation und zum Ablesen eingesetzt werden. Es orientiert sich an den Phonemen der deutschen Lautsprache und besteht aus 16 Phonemzeichen für die Konsonanten und zehn Phonemzeichen für die Vokale.
Ein Polysem ist ein Lexem (lautsprachliches Wort oder konventionelle Gebärde), das mehrere, meist verwandte oder voneinander abgeleitete Bedeutungen hat, die auf einen gemeinsamen etymologischen Ursprung bzw. auf ein gemeinsames zugrunde liegendes Bild zurückgeführt werden. Polysemie entsteht u.a. durch den Bedeutungswandel, dem Lexeme im Laufe der Zeit unterliegen.
S. auch:
Positionierung bedeutet, dass eine Gebärde in einem konkreten Äußerungskontext an einem anderen Ort im Gebärdenraum oder am Körper ausgeführt wird als bei ihrer neutralen Ausführung. Eine solche Verschiebung der Ausführungsstelle kann semantische oder grammatische Gründe haben, räumliche Bezüge darstellen oder dazu dienen, Äußerungen zu strukturieren (z.B. Unterscheidung verschiedener Einheiten, Gegenüberstellung, Vergleich, Gliederung, Aufzählung). (S. auch Gebärdenraumnutzung, Verortung, variierbare Gebärden, körperbezogen variierbare Gebärden.)
Produktive Gebärden sind sprachliche Formen, die für den jeweiligen Kontext spontan neu gebildet werden, um über ein Bild eine bestimmte Bedeutung auszudrücken (Bildhaftigkeit, Produktivität). Im Gegensatz zu konventionellen Gebärden beruhen produktive Gebärden nicht auf einer durch Konvention festgelegten Form-Bedeutungs-Beziehung. Stattdessen nutzen sie die Möglichkeit, mit Handzeichen Bilder zu erzeugen und dem Gesprächspartner durch diese Bilder die gewünschten Informationen zu vermitteln. Die dargestellten Bilder müssen in einen sie näher spezifizierenden sprachlichen Kontext eingebettet sein und können demzufolge auch nur im jeweiligen Kontext sinnvoll interpretiert werden. Zur Erzeugung dieser spontan gebildeten Gebärden bedient sich der Sprachbenutzer unter anderem bekannter Bausteine, z.B. bestimmter Handformen. Für die Bildung produktiver Gebärden stehen in der DGS verschiedene Bilderzeugungstechniken zur Verfügung, z.B. manipulative Technik, substitutive Technik, skizzierende Technik.
S. auch:
Viele konventionelle Gebärden können neben ihren konventionellen Verwendungen auch auf dynamische und produktive Weise mit Mundbildern kombiniert werden (Produktivität). Die Kombination mit einem Mundbild oder ein geeigneter sprachlicher Kontext erlauben es, verschiedene Bedeutungen mit derselben Gebärde auszudrücken, die alle über das Bild der Gebärde zueinander in Beziehung stehen. Produktive Verwendungen konventioneller Gebärden sind solche weniger gebräuchlichen Form-Bedeutungs-Beziehungen.
S. auch:
Produktivität ist die Eigenschaft von Sprachen, mit vorhandenen sprachlichen Mitteln neue, regelgerechte und verständliche sprachliche Formen oder Ausdrücke bilden zu können. In diesem Sinne werden produktive Gebärden spontan aus bekannten Bausteinen nach verinnerlichten Regeln neu gebildet. Schon existierende konventionelle Gebärden können produktiv mit Mundbildern kombiniert werden, die im Zusammenhang mit dieser Gebärde eher selten vorkommen und so neue Äußerungseinheiten bilden (produktive Verwendung) oder manchmal produktiv auf Grundlage ihres zugrunde liegenden Bildes modifiziert werden (Modifikation).
Raum- und körperbezogen variierbare Gebärden sind konventionelle Gebärden, die abweichend von ihrer üblichen Form (Grundform) ausgeführt werden können, um sowohl wie variierbare Gebärden einen Bezug zu Orten im Gebärdenraum als auch wie körperbezogen variierbare Gebärden einen Bezug zu Körperstellen herzustellen.
S. auch:
Als Reikonisierung bezeichnet man einen Rückgriff auf das einer konventionelle Gebärden zugrunde liegende Bild, um auf Grundlage dieses Bildes etwas anschaulich darzustellen, z.B. indem das Bild an die jeweilige Kommunikationssituation angepasst wird, um eine spezifischere Bedeutung zu vermitteln (Modifikation).
Bilden zwei nacheinander ausgeführte Handzeichen eine feste Einheit mit einer festen Bedeutung, so bezeichnen wir diese aus zwei Teilen bestehende Gebärde als sequenzielles Kompositum. (S. auch sprachliche Form, Lexem, Kombination.)
Gebärden, die mit der skizzierenden Technik gebildet werden, nennen wir skizzierende Gebärden oder auch kurz Skizze.
s. Skizze
Die skizzierende Technik ist eine Bilderzeugungstechnik der DGS, bei der die Hände oder einzelne Finger des Sprechers dazu verwendet werden, mit ihrer Bewegung einen unbewegten Gegenstand mit seiner Form und räumlichen Ausdehnung in den Gebärdenraum zu zeichnen. Hierzu werden unterschiedliche Handformen verwendet, die meist bereits Aspekte der Form und Ausdehnung des zu zeichnenden Gegenstands aufgreifen oder andeuten. Durch die zeichnende Bewegung werden weitere Aspekte der Ausdehnung und Form des Gegenstands dargestellt. Die Hände dienen als Werkzeuge, die sich durch den Raum bewegen und dadurch eine ein-, zwei- oder dreidimensionale Spur zeichnen. Diese Spur repräsentiert als vollendetes räumliches Gebilde Form, Position, Lage und Ausdehnung des gezeichneten Gegenstands. Werden zwei Hände zum Skizzieren verwendet, beginnen oft beide Hände an einer Stelle und bewegen sich symmetrisch auseinander. In anderen Fällen bleibt eine Hand am gemeinsamen Ausgangspunkt einer Skizze stehen, während die andere Hand die zeichnende Bewegung ausführt.
S. auch:
Unter einer sprachlichen Form verstehen wir eine nach den Regeln und/oder mit den Bausteinen der Sprache wohlgeformte Einheit eines Sprachsystems, die Bedeutung transportiert und zu diesem Zweck absichtsvoll eingesetzt wird.
Im engeren Sinne (Lautsprachlinguistik) versteht man unter einer sprachlichen Form eine Einheit mit einer konstanten Form und einer festen Bedeutung. Die Verbindung zwischen Form und Bedeutung beruht auf Konvention.
Im weiteren Sinne (Gebärdensprachlinguistik) gehören auch produktive Gebärden zu den sprachlichen Formen, obwohl sie keine festgelegte, konstante Form haben, sondern spontan gebildet werden. Sie vermitteln ihre Bedeutung nicht aufgrund einer Konvention, sondern mithilfe ihrer Bildhaftigkeit, indem sie ein Bild erzeugen.
Darüber hinaus zählen auch konventionelle Gebärden, mit denen nicht nur eine feste Bedeutung, sondern ein ganzer Bereich von Bedeutungen ausgedrückt werden kann, zu den sprachlichen Formen der jeweiligen Gebärdensprache (s. auch konventionelle Verwendung, produktive Verwendung, Produktivität).
Die Bezeichnung Sprecher wird in zwei Bedeutungen verwendet:
Die Bezeichnung Sprecher wird unabhängig davon verwendet, ob es sich bei der genutzten Sprache um eine Laut- oder eine Gebärdensprache handelt. Die Sprecher einer Gebärdensprache werden manchmal auch als Gebärder oder Gebärdende bezeichnet.
Die stempelnde Technik ist eine Bilderzeugungstechnik der DGS, bei der die Hand oder Teile der Hand des Sprechers dazu verwendet werden, mit einer kurzen, geraden, stempelnden Bewegung einen unbewegten Gegenstand an einem bestimmten Ort im Gebärdenraum anzudeuten. Dabei greift die Handform entsprechende Formaspekte des Gegenstands auf und dient gleichsam als Stempel, mit dem ein Gegenstand im Gebärdenraum sichtbar gemacht oder platziert wird (Verortung).
S. auch:
Stilisierung bedeutet, dass die Darstellung des zugrunde liegenden Bildes einer ikonischen Gebärde nicht so detailliert und realistisch wie möglich ist, sondern in der Gebärdenform auf einfache oder markante Aspekte reduziert ist. Bei einer Stilisierung ist nicht nur die äußere Form, sondern gleichzeitig auch die Darstellung des zugrunde liegenden Bildes betroffen. Dies kann entweder dazu führen, dass bestimmte, relevante Elemente stärker hervortreten, oder auch dazu, dass der Bezug der Gebärdenform zum zugrunde liegenden Bild verdunkelt wird oder sogar ganz verloren geht (Deikonisierung).
S. auch:
Die substitutive Technik ist eine Bilderzeugungstechnik der DGS, bei der Hände oder Handteile des Sprechers für Gegenstände oder Teile von Gegenständen stehen. Häufig spiegelt dabei die Handform Formaspekte des Gegenstands wider. Mit dieser Darstellungstechnik ist es möglich, die Position und Lage eines Gegenstands im Raum, seine Anordnung zu anderen Objekten und seine Bewegungen analog darzustellen. Dies geschieht oft in einem verkleinerten Maßstab im Gebärdenraum, der gleichsam als Bühne für diese dreidimensionale Darstellung verwendet wird.
Als Synonyme bezeichnet man zwei oder mehrere Lexeme (Wörter oder Gebärden), die sich in ihrer Form voneinander unterscheiden, jedoch dieselbe lexikalische (Kern-)Bedeutung haben, sodass sie in vielen Kontexten gegeneinander ausgetauscht werden können.
S. auch:
Transkription ist eine Technik der sprachwissenschaftlichen Analyse, mit der sprachliche Daten (Korpus) in einer schriftlichen Form festgehalten werden. Dadurch können Vorkommen sprachlichen Formen zugeordnet und miteinander verglichen werden. Welche Aspekte der Sprachdaten verschriftlicht werden, ist abhängig vom jeweiligen Forschungsinteresse. Der Begriff Transkription bezeichnet sowohl den Prozess der Verschriftlichung als auch das aus diesem Prozess hervorgehende verschriftlichte Ergebnis.
Sprachliche Formen werden in der Gebärdensprachforschung üblicherweise mit einer Glosse gekennzeichnet (Glossentranskription). Zur Beschreibung der äußeren Form von Gebärden gibt es verschiedene Notationssysteme, z.B. HamNoSys.
S. auch:
Variierbare Gebärden sind konventionelle Gebärden, die abweichend von ihrer üblichen Form (Grundform) ausgeführt werden können, um einen Bezug zu Orten im Gebärdenraum oder zu dort verorteten Redegegenständen zu realisieren. Dieser Bezug kann auf verschiedene Weise in der Form der Gebärde sichtbar werden. Einige Gebärden können ihre Ausführungsstelle an unterschiedliche Orte im Gebärdenraum verlegen (Positionierung). Andere Gebärden richten ihre Bewegung und/oder Orientierung auf die entsprechenden Orte im Gebärdenraum aus. Einige dieser Gebärden variieren Bewegung und/oder Orientierung nur in Bezug auf einen Ort, andere auf zwei Orte. Damit können räumliche Informationen, semantische Beziehungen oder grammatische Bezüge zu Personen oder Sachen, die diesen Orten zugeordnet sind (Verortung), ausgedrückt werden. Die variierbaren Gebärden fügen sich in die räumlich realisierte Strukturierung von Gebärdenäußerungen ein. (S. auch raum- und körperbezogen variierbare Gebärden, körperbezogen variierbare Gebärden.)
S. auch:
Wird eine bestimmte Person oder ein anderer Redegegenstand einem Ort im Gebärdenraum zugewiesen, so wird dies als Verortung bezeichnet. Der Redegegenstand wird an diesem Ort virtuell lokalisiert. Dies kann durch unterschiedliche Mittel erreicht werden, z.B. durch Positionierung von Gebärden oder mithilfe einer Zeigegebärde. Durch die Verortung eines Redegegenstands an einem bestimmten Ort im Gebärdenraum kann im weiteren Verlauf der Äußerung darauf Bezug genommen werden. (S. auch variierbare Gebärden.)
S. auch:
Ein Vorkommen einer konventionellen Gebärde ist eine einzelne Realisierung (Ausführung) der Gebärde im tatsächlichen Gebrauch. Die Ausführung kann aus ideosynkratischen, phonotaktischen, grammatischen und anderen Gründen von der üblichen bzw. idealisierten Form der Gebärde abweichen.
Da produktive Gebärden für den Kontext jeweils neu gebildet werden, haben sie keine festgelegte Form, von der sie abweichen könnten. Ein Vorkommen einer produktiven Gebärde ist die konkrete einmalige Verwendung dieser neu gebildeten sprachlichen Form.
Zahlgebärden sind konventionelle Gebärden, die zur Bezeichnung von Zahlen dienen. Sie bilden ein eigenes Teilsystem von Gebärden, aus denen die Bezeichnungen für alle Zahlen zusammengesetzt werden.
Eine Zeigegebärde ist eine Gebärde, die auf der indizierenden Technik beruht und in besonderer Weise für die Bezugnahme auf real anwesende oder im Gebärdenraum verortete oder substitutiv oder indirekt manipulativ dargestellte Gegenstände verwendet wird (substitutive Technik, manipulative Technik). Darüber hinaus werden Zeigegebärden auch zur Verortung von Redegegenständen im Gebärdenraum verwendet. Zeigegebärden erfüllen damit eine ganz spezielle grammatische Funktion und werden daher als eigenständige Gruppe von Gebärden angesehen.
Zeigegebärden werden nur mit der Zeigehand (s. auch Index) gebildet und sind eine Untergruppe der indexikalischen Gebärden.
In der DGS werden zeitliche Verhältnisse wie z.B. die Dauer von Zeitabschnitten und die Reihenfolge von Ereignissen oft mithilfe von räumlichen Verhältnissen ausgedrückt. Ereignisse werden dabei normalerweise so im Raum angeordnet, dass sie auf einer Geraden liegen, an der sich die relative Zeitdauer und die chronologische Reihenfolge ablesen lässt. Die Gerade stellt den Verlauf der Zeit linear dar und hat damit in etwa die gleiche Funktion wie z.B. die waagerechte Achse in vielen Diagrammen. In der DGS gibt es mehrere Linien im Gebärdenraum, die üblicherweise für solche Darstellungen genutzt werden. Diese Linien werden in der Gebärdensprachlinguistik als Zeitlinien bezeichnet. Eine Zeitlinie verläuft durch den Sprecher hindurch von hinten (der Vergangenheit) nach vorne (in die Zukunft). Eine weitere Zeitlinie verläuft quer vor dem Sprecher von links nach rechts bzw. von der dominanten zur nichtdominanten Seite. (S. auch Händigkeit.)
s. Bild