Das Fachgebärdenlexikon Hauswirtschaft ist neben den Fachgebärdenlexika Computer 1, Psychologie2 und Tischler/Schreiner3 nunmehr das vierte Fachgebärdenlexikon, das im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung vom Institut für Deutsche Gebärdensprache und Kommunikation Gehörloser (IDGS) der Universität Hamburg entwickelt wurde.
Mithilfe der Fachgebärdenlexika sollen erste Grundlagen gelegt werden für eine Effektivierung der beruflichen Bildung Hörgeschädigter unter Einbeziehung von Gebärden. Seit den 80er Jahren haben sich mit der weltweiten Anerkennung der Gebärdensprachen neue Möglichkeiten zur beruflichen Aus- und Weiterbildung Gehörloser ergeben. Unabhängig von der immer noch kontroversen Diskussion um die Erziehung und Bildung Gehörloser in Familie und Schule steht es heute außer Frage, dass für die jugendlichen und erwachsenen Gehörlosen die Verwendung von Gebärden in der beruflichen Bildung eine große Hilfe ist. Die kompliziertesten Sachverhalte können gebärdensprachkompetenten Hörgeschädigten in ihrer visuellen Sprache genauso differenziert und effektiv vermittelt werden wie Hörenden in der Lautsprache. Dies kann durch die Verwendung von Gebärden durch hörende, besser noch durch gehörlose Ausbilder oder auch mittels Gebärdensprachdolmetscher geschehen, die Gruppen von gebärdenden Hörgeschädigten in Regeleinrichtungen der beruflichen Bildung betreuen. So könnten die immer wieder festgestellten Defizite in der beruflichen Bildung Gehörloser weitgehend beseitigt werden (Schulte & Strauß 1987).
Wichtigste Voraussetzung dafür ist jedoch, dass auch für die speziellen Fachbegriffe der einzelnen Berufssparten entsprechende Fachgebärden zur Verfügung stehen. Solche Fachgebärdenlexika fehlen jedoch bis heute in Deutschland. Dieses fundamentale Defizit soll mit den von der Deutschen Gesellschaft zur Förderung Gehörloser und Schwerhöriger e.V. beantragten und vom Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung geförderten Fachgebärdenlexika für den Einflussbereich der Deutschen Gebärdensprache (DGS) Schritt für Schritt beseitigt werden.
Nach den Bereichen Computer und Psychologie wurde mit dem Fachgebärdenlexikon Tischler/Schreiner bewusst ein praktischer Berufsbereich gewählt mit dem Ziel, die berufliche Ausbildungssituation Gehörloser in Deutschland zu verbessern. Für das hier vorliegende Fachgebärdenlexikon Hauswirtschaft wurde die Kooperation mit dem Praxisbereich fortgesetzt. Die Begriffsliste, die verbalen Erklärungstexte zu den einzelnen im Lexikon verzeichneten Begriffen sowie ein kleiner Teil der bildlichen Erläuterungen der Begriffe wurden vom Berufsbildungswerk (BBW) Paulinenpflege in Winnenden erstellt. Zusammen mit dem vom BBW Winnenden entwickelten Lernprogramm Hauswirtschaft4 soll dieses Lexikon dazu beitragen, die berufliche Ausbildungssituation Gehörloser auch für den Bereich Hauswirtschaft zu verbessern.
Die Erhebung der Fachgebärden, ihre Dokumentation, Analyse und Präsentation in Form von Standbildern mit Bewegungspfeilen, die weitergehenden lexikographischen Informationen zu den Gebärden sowie ein Großteil der Abbildungen zu den Fachbegriffen wurden vom IDGS der Universität Hamburg erstellt.
Das Fachgebärdenlexikon Hauswirtschaft liegt ebenfalls als Video und als CD-ROM5 vor. Insbesondere die CD-ROM bietet zusätzliche Nutzungsmöglichkeiten. Besonders hervorzuheben ist dabei, dass die Gebärden als Filme aufgerufen werden können und dass die verbalen Erklärungstexte wie auch der Gebärdenbestand und die Sachgruppen untereinander vernetzt sind. Die CD-ROM wird, wie schon die Fachgebärdenlexika Psychologie und Tischler/Schreiner, auch im Internet kostenlos zugänglich gemacht.6
Im Fachgebärdenlexikon Hauswirtschaft sind 696 Fachbegriffe verzeichnet. Hinzu kommen 185 alternative Bezeichnungen7 und einige gängige Abkürzungen, die alphabetisch einsortiert sind und bei denen auf den jeweiligen Fachbegriff verwiesen wird. Jeder Eintrag beginnt mit einem fachlichen Teil, in dem Sachinformationen zu dem jeweiligen Fachbegriff gegeben werden. Daran schließt sich ein sprachlicher Teil an, in dem Gebärden oder Gebärdenkombinationen als mögliche Übersetzungen dieses Begriffs in die DGS in Form von Standbildern gezeigt werden.
Die ausgewählten Fachbegriffe decken die drei wichtigsten Teilbereiche der Hauswirtschaftslehre ab: Ernährung, Hausreinigung und Wäschepflege. Fast die Hälfte der Fachbegriffe stammen aus dem Bereich Ernährung, etwa jeweils ein Viertel der Begriffe sind den Bereichen Hausreinigung und Wäschepflege zugeordnet.8 Bei vielen Fachbegriffen ist es sinnvoll, den spezifischen Verwendungskontext anzugeben. Kann ein Fachbegriff in unterschiedlichen Kontexten verwendet werden, so erhält er im Lexikon zwei Einträge (zum Beispiel putzen: Obst oder Gemüse putzen / putzen: Schuhe putzen). Weiterhin wurden die Fachbegriffe in 96 Sach- und Untergruppen eingeteilt. So weit es ging, sind die Erklärungstexte auf einem sprachlich einfachen Niveau gehalten, 463 Einträge sind zusätzlich mit Fotos oder Zeichnungen illustriert. Während die Fachbegriffe auf der Seite Fachbegriffe und Gebärden alphabetisch angeordnet sind, bietet das Sachgruppenverzeichnis einen alphabetischen und hierarchischen Zugriff über die jeweiligen Sach- bzw. Sachuntergruppen (siehe auch Hinweise zur Benutzung). Zusammen mit dem Sachgruppenverzeichnis ermöglicht ein dichtes Netz von Querverweisen das selbstständige Erarbeiten zusammenhängender Themen.
An den fachlichen Teil eines Eintrags, schließt sich ein sprachlicher Teil an, in dem zu jedem Fachbegriff eine oder mehrere Gebärden bzw. Gebärdenkombinationen gezeigt werden, die als mögliche Übersetzungen der Fachbegriffe in die DGS zu verstehen sind. Insgesamt enthält das Lexikon 1561 Gebärden. Der sprachliche Teil soll den Benutzern die Möglichkeit geben, sich die Fachbegriffe nicht nur in der deutschen Schriftsprache, sondern auch in gebärdensprachlicher Form anzueignen.
Genauere Informationen über den Aufbau eines Lexikoneintrags sind in den Hinweisen zur Benutzung: Fachbegriffe und Gebärden zu finden.
Grundlage für die Auswahl der Gebärden ist eine bundesweit durchgeführte empirische Erhebung mit Gehörlosen, die zur Hauswirtschafterin/zum Hauswirtschafter ausgebildet sind und/oder in diesem Bereich arbeiten (siehe Methodisches Vorgehen). Für Benutzer mit einem theoretischen Interesse an der Gebärdensprachforschung haben wir die Analyse dieser Daten im Gebärdenverzeichnis dokumentiert. Unser methodisches Vorgehen bei der Transkription und Analyse der Daten wird auf einer umfangreichen Seite (Transkription und Analyse) näher erläutert. In einem Glossar sind die wichtigsten darin vorkommenden Begriffe verzeichnet. Auch für das Gebärdenverzeichnis gibt es Hinweise zur Benutzung.
Im Handformenverzeichnis sind diese Gebärden nach Handformen sortiert (siehe auch Hinweise zur Benutzung).
Darüber hinaus sind die Fachbegriffe ins Englische übersetzt.9 (siehe Register Englisch-Deutsch)
Die Auswahl der Fachbegriffe wurde vom BBW Paulinenpflege in Winnenden vorgenommen. Grundlage dafür waren einige Standardwerke für die Berufsausbildung im Bereich Hauswirtschaft (Sauer & Stäblein 1994; 1995, Nesso 1994, Sauer 1997).
Ausbilder im Bereich Hauswirtschaft haben vor dem Hintergrund ihrer Berufserfahrung und Ausbildungspraxis eine vorläufige Liste mit jeweils zirka 200 Begriffen für die Sachgruppen Wäschebehandlung, Textilarbeit, Hausreinigung und Ernährung zusammengestellt. Diese Vorauswahl wurde anschließend mit den Berufsbildungswerken, in denen Hörgeschädigte im Bereich Hauswirtschaft ausgebildet werden (Husum, Nürnberg, Leipzig), mit dem BBW Waiblingen (Schwerpunkt Lernbehinderte) und mit einer kooperierenden Regelberufsschule abgestimmt.
Die Begriffserklärungen wurden von einer erfahrenen Lehrerin im Bereich Hauswirtschaft erstellt und mit weiteren Fachpersonen abgestimmt. Für über die Hälfte der zirka 700 Fachbegriffe lagen Abbildungen vor. Die Fachbegriffe wurden in einem ersten Schritt in zirka 40 Sach- und Untergruppen eingeteilt. Später wurden die Untergruppen auf insgesamt 96 erweitert (siehe Sachgruppenverzeichnis). Bei vielen Fachbegriffen wurde der spezifische Verwendungskontext angegeben.
Die Begriffserklärungen sind, so weit möglich, in einem einfachen Deutsch geschrieben und folgen weitgehend einem einheitlichen Aufbau. Bei Gegenständen, Arbeitsgeräten und Maschinen werden Verwendung, Eigenschaften, Aussehen und Aufbau erklärt. Bei anderen Begriffen werden die wesentlichen Aspekte im Hinblick auf die Ausbildungs- und Berufspraxis genannt. Unter Umständen enthalten die Erklärungen Hinweise auf Gefahren und Besonderheiten.
Die Auswahl der Gebärden10 für das Fachgebärdenlexikon wurde anhand folgender Kriterien vorgenommen: Produktive Gebärden, die die begriffliche Bedeutung in ein unmittelbar einleuchtendes Bild fassen, wurden immer ausgewählt. Gebärden, die von mehreren Personen bei der Abfrage der Fachbegriffe gezeigt wurden, schienen uns eine zuverlässige Übersetzung der Bedeutung in die DGS zu sein und wurden ausgewählt. Gebärden, die als Antwort auf eine gezeigte Abbildung kamen, wurden bevorzugt vor solchen, die als Anwort auf das deutsche Wort kamen. Kam die Antwort zögerlich oder machte die Person einen unsicheren Eindruck und schien den Fachbegriff nicht zu kennen, dann wurden diese Gebärden nicht berücksichtigt. Alle Gebärden wurden von den gehörlosen Mitarbeitern daraufhin beurteilt, ob sie den Inhalt des Fachbegriffs wiedergeben. In Zweifelsfällen war das Sprachgefühl der gehörlosen Mitarbeiter ausschlaggebend.
Viele der gezeigten Gebärden bestehen aus mehreren Einzelgebärden, die unmittelbar nacheinander folgen. In den allermeisten Fällen kommt dies bei zusammengesetzten deutschen Wörtern vor. Die Gebärden beziehen sich auf die einzelnen Bestandteile des Kompositums, zum Beispiel wird das Wort Reinigungsmittel in der DGS durch die Gebärden REINIGUNG1C und MITTEL2A wiedergegeben. In der Regel wird dabei das deutsche Wort lautlos artikuliert. Es ist ein gängiges Verfahren in der DGS, sich auf das deutsche Wort zu beziehen, um in der Kommunikationssituation sicherzustellen, dass der Gesprächspartner weiß, worüber man redet. Diese Orientierung am Deutschen ist eine der Möglichkeiten der Gebärdenbildung und hat zunächst einmal nichts mit dem so genannten lautsprachbegleitenden Gebärden zu tun. Solche Gebärdenketten sind genauso wie konventionelle oder produktive Gebärden in ein DGS-Satzgefüge eingebettet. Im Gegensatz dazu bleibt beim lautsprachbegleitenden Gebärden das Satzgefüge der Lautsprache bestehen, es werden nur die Wörter von Gebärden begleitet. Dieser Prozess der Gebärdenbildung ist dem lautsprachbegleitenden Gebärden nur darin ähnlich, dass die Reihenfolge der Komponenten dem deutschen Kompositum entspricht.
Nach Möglichkeit sollten die für das Fachgebärdenlexikon ausgewählten Gebärden unter Gehörlosen gebräuchlich sein. Wir wollen jedoch dem falschen Eindruck vorbeugen, bei den im Lexikon gezeigten Gebärden handele es sich um die einzig möglichen Gebärden für die Übersetzung der Fachbegriffe in die DGS. Daher hat jede im Lexikon enthaltene Gebärde ein Statussymbol11, das anzeigt, wie oft eine Gebärde für einen Begriff von unterschiedlichen Personen genannt wurde, und ob es sich um neue oder nicht in dieser Kombination oder Verwendung für den abgefragten Fachbegriff im Datenkorpus vorkommende Gebärden handelt. Von den 1561 Gebärden sind 773 zwei- oder mehrmals belegt, 724 einmal belegt, 49 sind kombinierte Gebärden, deren einzelne Komponenten im Korpus belegt sind, die gezeigte Kombination jedoch nicht. Lediglich 15 Gebärden wurden von uns neu entwickelt.
Die erste Gebärde in einem Eintrag ist die von den gehörlosen Mitarbeitern bevorzugte Gebärde. Danach wird im Durchschnitt eine weitere Gebärde abgebildet.
An dieser Stelle möchten wir uns bei allen bedanken, die am Zustandekommen dieses Lexikons mitgewirkt haben. An erster Stelle sind hier die gehörlosen Fachleute zu nennen, die die empirische Erhebung erst möglich gemacht haben: Heike Baier, Gabriele Braig, Judith Dörnbrack, Svenja Gorreßen, Barbara Groß, Peter Jeziorski, Tanja Kneißl, Hella Krapiau, Elfi Lösch, Renate Lüthi, Marita Müller, Hannelore Piringer, Silvia Promersberger, Rolf Puttrich-Reignard, Christine Tube, Ute Voigt und Renate Worseck.
Dank gilt auch Horst Ebbinghaus, der, wie schon beim Fachgebärdenlexikon Tischler/Schreiner, seine vielfachen Erfahrungen in der empirischen Gebärdensprachforschung in das Projekt mit eingebracht hat.
Wir möchten uns ausdrücklich bei allen Mitgliedern der Projektgruppe bedanken, die durch ihre engagierte und unermüdliche Mitarbeit zum erfolgreichen Abschluss dieses Lexikons beigetragen haben. Anregungen, Unterstützung und Hilfe haben wir von vielen Personen erhalten, die nicht alle namentlich erwähnt wurden. Bei ihnen allen möchten wir uns bedanken.
Wer sich an ein Lexikon wagt, ist vor Fehlern nicht gefeit. Auch in diesem Fachgebärdenlexikon werden Fehler zu finden sein. Daher bitten wir Sie darum, uns kritische Anmerkungen mitzuteilen, damit wir aus gemachten Fehlern lernen können und eine mögliche Neuauflage dahingehend korrigiert werden kann. Dies betrifft insbesondere den gebärdensprachlichen Teil. Bitte teilen Sie uns Ihre Meinung oder Anregungen unter folgender Adresse mit:
Institut für Deutsche
Gebärdensprache und Kommunikation Gehörloser
Gorch-Fock-Wall 7
D-20354 Hamburg
Telefon: (040) 428 38-67 37
ST: (040) 428 38-67 38
Fax: (040) 428 38-61 09
e-mail: HLex@sign-lang.uni-hamburg.de