Angebote für Gehörlose im Fernsehen und ihre Rezeption


Projektleiter: Prof. Dr. Siegmund Prillwitz

Auftraggeber: Unabhängige Landesanstalt für das Rundfunkwesen (ULR) in Kiel

Laufzeit: Das Projekt hat Ende Juli 1999 begonnen und wird bis Ende Juli 2000 abgeschlossen.

Ziele: Ziel des Projekts ist es, erstmals gesicherte empirische Daten zu Umfang, Qualität, Rezeption, Akzeptanz und Problematik hinsichtlich der Angebote für Gehörlose im deutschen Fernsehen zu den unten unter 1.-4. skizzerten Feldern zu erheben. Die Auftraggeber hoffen, auf dieser Grundlage die Medieneinbindung Gehörloser besser einschätzen und entsprechend optimieren zu können.

Damit dürften die Projektergebnisse einen wesentlichen Baustein zu einer sachlichen, konkreten und angemessenen Diskussion hinsichtlich der Berücksichtigung der besonderen Situation Gehörloser liefern.

Inhalte: Im Rahmen des Projekts werden folgende Studien erstellt:

  1. Bestandsaufnahme von Angeboten für Gehörlose und zur Tonsubstitution im deutschen Fernsehen
    Dieser Überblick bietet eine Auflistung der bisher im Deutschen Fernsehen ausgestrahlten Sendungen mit Untertiteln bzw. mit Einblendung von Gebärdensprachdolmetschern.

  2. Nutzungsanalyse mittels Rezipientenbefragung bei Gehörlosen
    Es werden ca. 170 Gehörlose unterschiedlichen Alters, Geschlechts, Bildung, Berufs etc. von gehörlosen Fachleuten zu ihren Fernsehgewohnheiten befragt. Dabei werden zahlreicheAspekte der Fernsehnutzung durch Gehörlose thematisiert, wobei jedoch die Tonsubstitution von Sendungen mit Hilfe von Untertiteln und Einblendung von Gebärdensprachdolmetschern im Mittelpunkt stehen.
    Diese sehr komplexe Erhebung bedient sich der standardisierten Fragebogentechnik, die jedoch um freie, in Gebärdensprache durchgeführte Interviewteile erweitert wurde. Die gebärdensprachlichen Äußerungen wurden mit Kamera aufgenommen und anschließend von den gehörlosen Interviewern inhaltsanalytisch ausgewertet.
    Die tabellarische Aufbereitung und quantitative Auswertung der Fragebögen sowie der freien Interviewteile ist inzwischen abgeschlossen.

  3. Bundesweite Rezipientenanalyse zur Einstellung hörender TV-Zuschauer zur Tonsubstitution im Fernsehen (Untertitelung und Gebärdenspracheinblendungen)
    Zur Ermittlung der Akzeptanz tonsubstituierter Sendungen bei hörenden Fernsehkonsumenten in Deutschland wurde eine repräsentative Befragung von über 1.000 Bundesbürgern im Herbst 1999 durchgeführt. Der Fragebogen enthielt neben Fragen, die die Akzeptanz von Untertitel und Einblendung von Gebärdensprachdolmetschern und deren Umfeld betreffen, Fragen zu Alter, Geschlecht, Familienstand, Kinder etc., Schulbildung, Berufstätigkeit, Fernsehpräferenzen u.a.m. Die inzwischen fertiggestellte Studie gibt Aufschluß über die aktuelle tatsächliche Akzeptanz tonsubstituierter Sendungen bei hörenden Fernsehkonsumenten und geht darüber hinaus auf akzeptanzfördernde bzw. -behindernde Faktoren ein.

  4. Untersuchung der Produktionsbedingungen für gehörlosenspezifische Tonsubstitution durch Befragung der Programmverantwortlichen
    Diese Studie bietet einen Einblick in die spezifischen Produktionsbedingungen und die Einstellung der jeweiligen Redaktkionen zu den beiden Modalitäten der Tonsubstitution für Gehörlose, die Untertitelung und die Einblendng von Gebärensprache. Zu beiden Schwerpunkten wurden die Programmverantwortlichen gezielt befragt. Dabei standen folgende Aspekte im Vordergrund: Konzeptbeschreibung , technischer Aufwand, Finanzierung, Bewertung von Seiten der Redaktion, Bewertung durch die Zuschauer, Zukunftsperspektiven. Die befragten Redaktionen gehörten zu den Sendern Phoenix, mdr, Radio-Bremen, WDR, ORF und ntv. Darüber wurden auch die involvierten Gebärdensprachdolmetscherinnen zu ihren Arbeitsbedingungen und -erfahrungen befragt, so daß auch diese Aspekte der Produktionsbedingungen erfaßt wird.

  5. Ergebnisreflexion mit Perspektiventwicklung für eine Optimierung des Angebots für Gehörlose im Fernsehen
    In einer abschließenden Zusammenfassung sollen die Ergebnisse der bisher skizzierten vier Studien zum einen erläutert und auf spezifische Zusammenhänge hin eingeordnet werden. Zugleich soll auf dieser Grundlage versucht werden, konkrete Perspektiven für eine Verbesserung der Fernsehnutzung durch die sprachliche Minderheit der Gehörlosen zu entwickeln.

Mitarbeiter:
Der Projektauftrag erging nach einer bundesweiten Ausschreibung an Prof. Dr. Siegmund. Prillwitz vom Institut für Deutsche Gebärdensprache und Kommunikation Gehörloser der Universität Hamburg (Projektleiter). Für die Projektdurchführung tragen in übergreifender Verantwortung insbesondere Katharina von Fintel und Andrea Schulz Verantwortung.
(1) Die Nutzungsanalyse bei Gehörlosen wurde unter Anleitung von K. v. Fintel und A. Schulz methodisch entwickelt und umgesetzt. Die überregionale Datenerhebung bei Gehörlosen wurde durchgeführt von Christian Borgwardt, Stefan Goldschmidt, Sieglinde Lembcke, Thomas Plotzki, Simone Schulz, Ivo Weber und Thomas Worseck, die auch durchweg die inhaltsanalytische Auswertung der freien Interviewteile durchführten.
(2) Die bundesweite Rezipientenanalyse zur Einstellung hörender TV-Zuschauer wurde auf der Grundlage der inhaltlichen Vorgaben von Seiten der Projektleitung von Prof. Dr. Klaus Eichner vom Fachbereich Soziologie der Universität Hamburg vorgenommen.
(3) Die Untersuchung der Produktionsbedingungen hinsichtlich Untertitelung und Gebärdenspracheinblendung hat Andrea Schulz durchgeführt, wobei Thorsten Herbig für den technischen Aspekt mitwirkte.

Veröffentlichungen:
Es wird eine Veröffentlichung der detaillierten empirischen Forschungsergebnisse bis Ende 2000 angestrebt. Da das Projekt im Auftrag der ULR durchgeführt und finanziert wird, stehen die Nutzungsrechte, einschließlich der Veröffentlichung, der ULR zu, so daß Vorabinformationen über die Projektergebnisse vertragsgemäß nur mit schriftlicher Genehmigung der ULR erfolgen können.

Kontaktadresse:
Prof. Dr. Siegmund Prillwitz
IDGS der Universität Hamburg
Gorch-Fock-Wall 7
20354 Hamburg
E-mail: Siegmund.Prillwitz@sign-lang.uni-hamburg.de

(Stand:21.6.2000)

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