Vorwort

Einleitung

Das Fachgebärdenlexikon Sozialarbeit/Sozialpädagogik ist neben den Fachgebärdenlexika Computer, Psychologie, Tischler/Schreiner und Hauswirtschaft1Arbeitsgruppe Fachgebärdenlexika (1994, 1996, 1998) und Konrad u.a. (2000). nunmehr das fünfte Fachgebärdenlexikon, das im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung vom Institut für Deutsche Gebärdensprache und Kommunikation Gehörloser (IDGS) der Universität Hamburg erstellt wurde.

Mit Hilfe der Fachgebärdenlexika sollen Grundlagen gelegt werden für eine Effektivierung der beruflichen Bildung Hörgeschädigter unter Einbeziehung von Gebärden. Seit den 80er Jahren haben sich mit der weltweiten Anerkennung der Gebärdensprachen neue Möglichkeiten zur beruflichen Aus- und Weiterbildung Gehörloser ergeben. Unabhängig von der immer noch kontroversen Diskussion um die Erziehung und Bildung Gehörloser in Familie und Schule steht es heute außer Frage, dass für die jugendlichen und erwachsenen Gehörlosen die Verwendung von Gebärden in der beruflichen Bildung eine große Hilfe ist. Die kompliziertesten Sachverhalte können gebärdensprachkompetenten Hörgeschädigten in ihrer visuellen Sprache genauso differenziert und effektiv vermittelt werden wie Hörenden in der Lautsprache. Dies kann durch die Verwendung von Gebärden durch hörende, besser noch durch gehörlose Ausbilder oder auch mittels Gebärdensprachdolmetscher geschehen, die Gruppen von gebärdenden Hörgeschädigten in Regeleinrichtungen der beruflichen Bildung betreuen. So könnten die immer wieder festgestellten Defizite in der beruflichen Bildung Gehörloser weitgehend beseitigt werden (Schulte/Strauß 1987).

Eine wichtige Voraussetzung für die Verbesserung der beruflichen Qualifizierung Gehörloser ist, dass für die Fachbegriffe der jeweiligen Berufssparte auch Fachgebärden zur Verfügung stehen. Für die meisten Berufsfelder ist diese Voraussetzung bisher nicht erfüllt. Dieses Defizit soll mit den von der Deutschen Gesellschaft zur Förderung Gehörloser und Schwerhöriger e.V. beantragten und vom Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung geförderten Fachgebärdenlexika für den Einflussbereich der Deutschen Gebärdensprache (DGS) Schritt für Schritt beseitigt werden.

Nach den vorwiegend praktisch orientierten Berufszweigen Tischler/Schreiner und Hauswirtschaft wurde für das Fachgebärdenlexikon Sozialarbeit/Sozialpädagogik, wie schon beim Fachgebärdenlexikon Psychologie, ein akademischer Ausbildungsberuf gewählt. Hintergrund für diese Entscheidung war der Modellstudiengang zur Ausbildung von Gehörlosen zu Diplom-Sozialarbeitern/Sozialpädagogen an der Fachhochschule Potsdam, im Folgenden PotsMods genannt, der von 1996 bis 2001 durchgeführt wurde2Weitere Informationen finden sich unter der <URL http://www.fh-potsdam.de/~potsmods/>. Das Fachgebärdenlexikon Sozialarbeit/Sozialpädagogik stellt eine sinnvolle inhaltliche Ergänzung zum PotsMods dar.3Die ursprüngliche Idee, während des Modellprojekts PotsMods wichtige Fachgebärden systematisch zu sammeln bzw. zu entwickeln, lie§ sich mit der Studienbelastung der gehörlosen Studenten und Studentinnen nicht vereinbaren. Für ca. 150 Fachbegriffe wurden Übersetzungsvorschläge gesammelt, die für das Fachgebärdenlexikon Sozialarbeit/Sozialpädagogik zur Verfügung standen. Zum überwiegenden Teil handelte es sich dabei um juristische Begriffe, vor allem aus dem Familien-, Sozial- und Verwaltungsrecht.

Für den fachlichen Teil des Fachgebärdenlexikons konnten wir die Projektleiterin des Studiengangs, Prof. Dr. Margret Henke (hörend), gewinnen, die in Zusammenarbeit mit Petra Piel (gehörlos, Diplom-Sozialarbeiterin und wissenschaftliche Mitarbeiterin beim PotsMods) die Begriffsliste und die verbalen Erklärungstexte zu den Fachbegriffen erstellte. Fünf gehörlose Studierende, die am PotsMods teilgenommen hatten, waren bereit, als Informanten für die Gebärdenerhebung zur Verfügung zu stehen.

Die Erhebung der Fachgebärden, ihre Dokumentation, Analyse und Präsentation und die weitergehenden lexikographischen Informationen zu den Gebärden wurden vom IDGS der Universität Hamburg erstellt. Darüber hinaus wurden für dieses Fachgebärdenlexikon erstmals sämtliche Begriffserklärungen in die DGS übersetzt, um Gehörlosen einen Zugang zu den Inhalten der Fachbegriffe in ihrer eigenen Sprache zu ermöglichen. Diese Übersetzungen wurden von Christian Pflugfelder (hörend) erstellt, der schon beim PotsMods als Dolmetscher einschlägige Erfahrungen sammeln konnte. Einige aus der Psychologie kommende Fachbegriffe wurden von Ivo Weber (gehörlos, Diplom-Psychologe) übersetzt, einige soziologische Fachbegriffe von Stefan Goldschmidt (gehörlos, M. A. Soziologie).

Die Video-Fassung des Fachgebärdenlexikons Sozialarbeit/Sozialpädagogik enthält die für den jeweiligen Fachbegriff ausgewählten gebärdensprachlichen Entsprechungen. Die CD-Version4Videos und Buch sind über den Signum-Verlag zu beziehen (Schloßstraße 4, 23883 Seedorf; <URL http://www.signum-verlag.de>). enthält alle Inhalte der Buchversion, bietet jedoch bessere Nutzungsmöglichkeiten: Die Gebärden können als Filme aufgerufen werden und die Erklärungstexte wie auch der Gebärdenbestand und die Sachgruppen sind untereinander vernetzt. Die DVD-Version bietet dieselben Möglichkeiten wie die CD-Version, enthält jedoch darüber hinaus erstmalig auch die Übersetzungen der Begriffserklärungen in DGS. Sie ist, wie schon die Fachgebärdenlexika Psychologie, Tischler/Schreiner und Hauswirtschaft, im Internet kostenlos zugänglich.5URLs s. Literaturverzeichnis.

Struktur

Die Struktur des Fachgebärdenlexikons Sozialarbeit/Sozialpädagogik ist vor allem auf zwei Nutzerinteressen hin ausgerichtet. Benutzer, die vom lautsprachlichen Fachbegriff ausgehen und Sachinformationen oder gebärdensprachliche Übersetzungen suchen, finden diese in den Lexikoneinträgen unter den lautsprachlichen Fachbegriffen. Dieser Teil entspricht der Hauptbenutzungsrichtung des Lexikons, die von der deutschen Lautsprache ausgeht und auf die Zielsprache DGS ausgerichtet ist.

Für Benutzer, die an detaillierten Informationen zu den erhobenen Gebärden und an der Struktur des DGS-Wortschatzes interessiert sind oder ein theoretisches Interesse an der Gebärdensprachforschung haben, sind in den Gebärdeneinträgen unter der zugehörigen Glosse alle vorhandenen Informationen zu einer Gebärde aufgeführt.

Eine Vielzahl von Suchmöglichkeiten erlaubt den Zugriff auf diese beiden Informationseinheiten des Lexikons.

Jeder Lexikoneintrag (s. Aufbau eines Lexikoneintrags) beginnt mit einem fachlichen Teil, in dem der Fachbegriff wahlweise in deutscher Schriftsprache oder in DGS erklärt wird. Weiterhin werden die Sach- bzw. Untergruppen, eine englische Übersetzung oder Umschreibung und, falls vorhanden, synonyme Bezeichnungen angegeben. Danach folgt die Übersetzung des Begriffs in die DGS. Im Durchschnitt werden zwei Gebärden oder Gebärdenketten als mögliche Übersetzungen des Fachbegriffs gezeigt. Insgesamt enthält das Lexikon 936 Gebärden oder Gebärdenketten, die aus den Daten einer bundesweit durchgeführten empirischen Erhebung mit gehörlosen Fachleuten ausgewählt wurden (s. Gebärdenerhebung).

Im Lexikon sind 450 Fachbegriffe mit eigenen Lexikoneinträgen verzeichnet. Hinzu kommen 54 synonyme Bezeichnungen6Für einige Sachverhalte werden in den Medien oder in der Umgangssprache neben den fachsprachlichen Bezeichnungen auch andere Begriffe verwendet wie zum Beispiel Entzug für Entgiftung oder Obdachlosenhilfe für Wohnungslosenhilfe. und einige gängige Abkürzungen sowie 75 mit dem Fachbegriff eng verwandte Begriffe7Der für das Lexikon ausgewählte Fachbegriff kann enger oder weiter gefasst sein als der Suchbegriff. Sucht man nach Netzwerk, so wird man auf soziales Netzwerk verwiesen, sucht man nach vorrangig oder nachrangig, so wird man auf Zuständigkeit verwiesen., von denen auf den jeweiligen Fachbegriff verwiesen wird (s. Auswahl der Fachbegriffe und Begriffserklärungen). Die Lexikoneinträge können mit der Suche über Fachbegriff: Deutsch A - Z aufgerufen werden.

Mit der Suche über Fachbegriff: Englisch A - Z kann der Eintrag zu einem Fachbegriff auch über seine englische Übersetzung oder Umschreibung gefunden und aufgerufen werden.

Mit der Suche über Sachgruppe erhält man einen thematisch nach Sach- und Untergruppen geordneten Zugang zu den Lexikoneinträgen.

Die Suche über Erhebungsstatus ermöglicht einen Überblick über die Übersetzungen der Fachbegriffe sortiert nach ihrem Erhebungsstatus, der sich aus der Häufigkeit ihres Vorkommens im Datenkorpus ergibt.

Eine alphabetische Suche über Glossen ermöglicht einen Zugriff auf die Gebärdeneinträge.

Bei der Suche über Bedeutung kann man über die Bedeutung der Einzelgebärden auf die zugehörigen Gebärdeneinträge zugreifen.

Bei der Suche über Handform kann man Gebärden nach dem Formaspekt Handform suchen und so zu den Gebärdeneinträgen gelangen.

Die Suche über Gebärdenform bietet eine wesentlich effektivere Suche nach Gebärden. Per Mausklick können Formeigenschaften wie ein- oder zweihändig, Handform, Handstellung, Ausführungsstelle und Bewegung schrittweise ausgewählt und damit das Suchergebnis stark eingegrenzt werden.

Bei der Suche über Gebärdenraumnutzung werden alle Gebärden in drei Gruppen sortiert nach ihrer Variierbarkeit im Gebärdenraum aufgeführt.

In den Hinweisen zur Benutzung findet man weitere Informationen und Erklärungen zu den verschiedenen Bestandteilen des Lexikons.

In den Hintergrundinformationen werden das methodische Vorgehen, die Transkription und die lexikalische Analyse ausführlich beschrieben. Im Glossar sind die wichtigsten im Lexikon vorkommenden linguistischen Fachbegriffe definiert.

Im Literaturverzeichnis werden die zu Rate gezogene Fachliteratur zur Sozialen Arbeit sowie die für die gebärdensprachliche Analyse verwendete Literatur angeführt.

Danksagung

An dieser Stelle möchten wir uns bei allen bedanken, die am Zustandekommen dieses Lexikons mitgewirkt haben. An erster Stelle sind hier die gehörlosen Fachleute zu nennen, die die empirische Erhebung erst möglich gemacht haben: Cortina Bittner, Doris Bönisch, Ines Desjardins, Thomas Finkbeiner, Katja Fischer, Katina Geißler, Sabine Heinecke, Ege Karar, Ralf Kirchhoff, Christine Linnartz, Katrin Pflugfelder, Susanne Pufhan, Gudrun Sieke, Angela Staab und Jürgen Stachlewitz.

Wir möchten uns auch ausdrücklich bei allen Mitgliedern der Projektgruppe bedanken, die durch ihre engagierte und unermüdliche Mitarbeit zum erfolgreichen Abschluss dieses Lexikons beigetragen haben. Anregungen, Unterstützung und Hilfe haben wir von vielen Personen erhalten, die nicht alle namentlich erwähnt wurden. Bei ihnen allen möchten wir uns bedanken.

(Beteiligte Personen)

Kontakt

Bei einer so umfangreichen und komplexen Arbeit wie der Erstellung eines Lexikons können sich Fehler einschleichen. Wenn Sie Fehler entdecken, wären wir Ihnen für eine Rückmeldung dankbar. Ihre konstruktiven und kritischen Anmerkungen sowie weitere Anregungen können Sie uns unter folgender Adresse mitteilen:

Institut für Deutsche Gebärdensprache und Kommunikation Gehörloser

Gorch-Fock-Wall 7

D-20354 Hamburg

Telefon: (040) 428 38-67 37

ST: (040) 428 38-67 38

Fax: (040) 428 38-61 09

E-mail: SoLex@sign-lang.uni-hamburg.de

Hamburg, im Oktober 2003    Reiner Konrad, Siegmund Prillwitz